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Löhne und Gehälter müssen sinken

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Die kürzlich vereinbarte Erhöhung der Beamtengehälter um 4,5 Prozent ist höher ausgefallen als die der Löhne und Gehälter in der Metallindustrie (4,4 Prozent). Können wir uns das auf Dauer leisten?

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Die kürzlich vereinbarte Erhöhung der Beamtengehälter um 4,5 Prozent ist höher ausgefallen als die der Löhne und Gehälter in der Metallindustrie (4,4 Prozent). Können wir uns das auf Dauer leisten?

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Höhere Beamtengehälter werden über das Budgetdefizit bezahlt, das seinerseits über Kredite zu Lasten heute noch nicht vertragsfähiger Kinder finanziert wird. Die Lohnerhöhungen in der Metallindustrie wiederum sollen von den Kunden österreichischer Industrieunternehmungen über erhöhte Preise bezahlt werden, die, wie allgemein bekannt, nicht erzielbar sind und zu Firmeninsolvenzen und Arbeitslosigkeit führen.

Eine Differenzierung dieser Feststellungen hätte nur rhetorischen Wert, da der empirische Befund die volle Wahrheit belegt: in der gegenwärtigen binnen- und weltwirtschaftlichen Konstellation bedeuten fiktive Einkommenserhöhungen reale Arbeitsplatzverluste!

Uber den Zusammenhang Einkommen - Arbeitskosten - Weltnachfrage — Arbeitsplätze gibt es seit mindestens fünf Jahren eine durchaus problembewußte „Untergrunddiskussion" (die man deswegen so bezeichnen kann, weil sie im Vokabular der Machthaber nicht wirksam wird).

Im Februar 1978 gipfelte eine Aussage von Fritz Machlup, des bekannten österreichischen Na-, tionalökonomen aus den USA, in dem Satz: „Keine Lohnerhöhungen, bis die Arbeitslosigkeit vorbei ist!"

In der Wochenzeitschrift „Die Industrie" (16/79) habe ich ein Modell flexibler Einkommensgestaltung unter Mitwirkung der derzeitigen sozialpartnerschaftlichen Instanzen entwickelt: „Der Ausgleich zwischen Leistungswille und Bedarfsdeckung findet nicht über variable entspannende Bewertungsmechanismen statt, sondern opfert der durch künstliche Starrheit bis zum Bruch überzogenen Anspannung die so unhaltbar werdenden Arbeitsplätze zufällig betroffener gänzlich Unschuldiger!"

Interessant ist auch der Vorschlag Walter Heinzigers, Generalsekretär des OAAB, wöchentlieh eine Stunde zugunsten der dritten Welt gratis zu arbeiten: „Ich bin da kein Altruist, sondern halte mich für einen Beobachter der Entwicklung. Wir werden diese Zeit um unserer Existenz willen geben müssen." Ebenfalls schon 1979 sprach sich der Generaldirektor der österreichischen Nationalbank Heinz Kienzl gegen Arbeitszeitverkürzungen aus, die „kein taugliches Mittel sind, um einer Viertelmillioh auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen Arbeitsplätze zu schaffen."

Tatsächlich liegen aus den Jahren 1979, 1980, 1981 zahlreiche Beobachtungen über reale Einkommenssenkungen vor — mit dem Nachteil allerdings, daß es sich um mikroökonomische und nicht um Grundsatzbewegungen handelte: Nachdem bereits in den Sechzigerjahren die damaligen Schoeller-Bleckmann-Werke einvernehmlich Löhne und Gehälter gesenkt haben, wurde von den Nachfolgebetrieben über Kürzungen von Prämien und Sozialleistungen bereits 1978 gesprochen.

Bekannt geworden ist die positiv ausgegangene Urabstimmung zu diesem Thema bei Semperit. Weltweit publiziert wurden lohnsenkende Vereinbarungen der belgischen Werftindustrie 1980 sowie der umfassende Vertrag der Brüsseler Banque Lambert, die sich nach der Gehaltssenkung ihrer Beamten zu mehrjährigem Kündigungsstop verpflichtet hat.

Ahnlich sind die bekannten Verträge der US-Autoproduzen-ten Chrysler aus 1979 und Ford und General Motors aus 1982. Bei der Fluglinie El AI gab es 1980 ebenfalls eine Einkommenskürzung als Voraussetzung für die Weiterführung des Unternehmens.

Auf der ersten Seite der „Welt" (4. 12. 81) wird Herbert Giersch, Leiter des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, zitiert: „Wollen wir schnell wieder Vollbeschäftigung erreichen, müssen die Löhne in der Tat real erheblich sinken, diejenigen für knappe Facharbeiter ausgenommen."

Am 7. 8. 81 veröffentlicht die „Presse" einen Leserbrief, in dem an die zehnprozentige Einkommenskürzung für öffentlich Bedienstete während der Wirtschaftskrise in der Ersten Republik erinnert wird.

Die damalige Bundesregierung erreichte damit: „Nicht nur eine spürbare Budgetentlastung, sondern auch eine gewisse Besänftigung bei den Arbeitslosen über ihre krasse Schlechterstellung gegenüber den bis dahin ungeschmälert Aktiven. Die Betroffenen selbst, also die um zehn Prozent in ihrem Einkommen gekürzten öffentlich Bediensteten, nahmen diese Maßnahme ohne jede Unmutsreaktion auf sich."

Schließlich gelangte auch Univ.- Prof. Gerhart Bruckmann in einem Aufsatz („Die Presse" vom 13. 11. 82) nach gründlicher Analyse der Umverteilungsdiskussion zu dem konkreten Vorschlag: „In einem bestimmten Jahre könnte an Stelle einer kompletten Lohnrunde einmal ein Solidaritätsbetrag treten." Es sollten zum Beispiel fünfhundert Schilling als Lohnbestandteil in Form eines starren Lohnzuschlags allen Einkommensbeziehern zugewendet werden.

Alle diese gedruckt sichtbar gewordenen Aussagen sind freilich nur die Spitze eines Eisbergs, die wohlgesetzte Sprache für das ängstliche Gefühl einer großen Mehrheit, die schon seit langem die alljährlichen Nominaleinkommenserhöhungen mit gequältem Lächeln hinnehmen. Daß an dieser Spirale etwas nicht stimmt, ahnen alle.

Der Autor ist Abteilungsdirektor für zentrale Betriebswirtschaft in einem österreichischen Industrieunternehmen.

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