7016797-1988_29_04.jpg
Digital In Arbeit

Außenpolitik als Revolutionsersate

19451960198020002020

Eine rote „Karl-May-Ge-fühlsduselei“: Für den ehemaligen Generalsekretär der Sozialistischen Internationale suchen SPÖ-Mannen im Ausland nur Revolutionsersatz.

19451960198020002020

Eine rote „Karl-May-Ge-fühlsduselei“: Für den ehemaligen Generalsekretär der Sozialistischen Internationale suchen SPÖ-Mannen im Ausland nur Revolutionsersatz.

Werbung
Werbung
Werbung

Obwohl auch die Volkspartei von einem gelernten Diplomaten angeführt wird, ist es in erster Linie die SPÖ, wo sich Diplomaten immer häufiger finden lassen. Man könnte fast von einer neuen Form der Sozialdemokratie sprechen, die sich als „Sozialdiplomatie“ charakterisieren läßt.

Begonnen hat diese Entwicklung selbstredend unter Bruno Kreisky, obwohl dieser — eigenartigerweise — kein Berufsdiplomat war. Unter ihm wurde eine ganze Generation von sozialistischen Diplomaten herangezogen, die im allgemeinen zuerst bei ihm als Sekretäre in die Lehre gingen. Da die Anforderungen in Kreiskys Büro oft das Menschenmögliche überstiegen, war der Verschleiß entsprechend groß. Es gibt dementsprechend viele „Sozialdiplomaten“ in höchsten Stellen, vom ehemaligen Außenminister Peter Jankowitsch (der sich aber stolz als Produkt des Außenamtes bezeichnet) angefangen, bis zu den zahlreichen Botschaftern in aller Welt.

Nach außen hin ist dies für die Arbeiterbewegung zweifellos eine sehr erfreuliche Entwicklung. Wenn dann aber „Sozialdiplomat Nummer eins“, Jankowitsch, in der „Presse“ allen Ernstes erklärt, daß es so etwas wie eine sozialistische Außenpolitik gar nicht gibt (er benützte dabei den Ausdruck „Unding“), dann sieht die Sache freilich etwas anders aus.

„Wozu haben wir die Buam dann eigentlich studieren lassen?“ könnte man sich mit Recht fragen. Aber das „Exzellenz“ paßt in das neue sozialdemokratische Vokabular genau so hinein, wie der „Nadelstreif“ und der „Mercedes“. Es ist im wahrsten Sinn des Wortes der „Aufstieg einer Klasse“, wobei es sich freilich weniger um Aufstieg als „Einstieg“ handelt. Denn, wie ich schon vor Jahren einmal in der „Arbeiter Zeitung“ schrieb, darf sich sozialistische Politik nicht darin erschöpfen, den Beweis zu erbringen, daß Sozialisten das kapitalistische System mindestens ebenso gut und vielleicht sogar ertragreicher verwalten können als die Konservativen.

Hier stößt man natürlich auch wieder auf die Frage, ob es denn so etwas wie eine sozialistische Außenpolitik gibt. Wenn man von der Annahme ausgeht, daß Außenpolitik die Fortsetzung der Innenpolitik mit anderen Mitteln ist, dann muß man hinzufügen, daß die Voraussetzung für eine sozialistische Außenpolitik eine sozialistische Innenpolitik wäre. Wenn ich mich zu Hause damit zufrieden gebe, das bestehende System zu erhalten, dann kann ich freilich nicht eine davon abweichende Außenpolitik betreiben, ohne unglaubwürdig zu werden.

Dies ist freilich ein Vorwurf, den man einigen sozialistisch geführten Regierungen in der Vergangenheit gemacht hat. Während man zu Hause durchaus traditionell - und fast möchte ich sagen: konservativ — Politik betrieben hat, gebärdet man sich im Ausland oft als Revolutionär. Man begeisterte sich für die Befreiungsbewegungen in Afrika und Südamerika, deren Hauptziel die Verdrängung der kapitalistischen Großkonzerne ist, während man dabei mit ihnen Frieden schloß. Es handelt sich dabei um eine Art Sozialromantik, eine rote „Karl-May-Gefühlsduselei“. Man sucht im Ausland, was man in der Heimat längst aufgegeben hat...

Es wäre Zeit, den Begriff sozialistische Außenpolitik neu zu definieren. Es ist nicht damit getan, eine Erhöhung der Entwicklungs-hilf emittel von 0,3 auf 0,7 Prozent zu fordern. Es ist auch nicht zielführend, sich für die Diktatur der Sandinistas in Nikaragua zu begeistern (so gerechtfertigt sie auch unter den gegebenen Umständen sein mag) und die Bestrebungen der Opposition in der CSSR zu ignorieren.

Es ist einfach falsch, „Revolutionsführer“ Muammar al-Gadhafi Respekt zu erweisen und dem sozialdemokratischen Präsidenten von Kostarika seine großbürgerliche Herkunft vorzuwerfen. Und ich verstehe bis heute nicht, welche sozialistischen Gedankengänge für die Unterstützung verantwortlich sind, die man der Po-lisario in Nordafrika zuteil werden läßt, während man es bisher geflissentlich unterlassen hat, die Bevölkerungspolitik der Vereinten Nationen aktiv zu unterstützen.

Vor allem beunruhigt es mich, in welchem Ausmaß und mit wie wenig Z-ögern man gewaltige Waffenexporte zuläßt, vor allem in Gegenden, wo diese Waffen nicht nur benützt, sondern oft zur Unterdrückung demokratischer Bewegungen eingesetzt werden. Die Augen einer Reihe meiner sozialistischen Genossen begannen zu glänzen, als sie mir erklärten, daß die Steyr-Kanonen „zu den besten der Welt“ zählen.

Aber hier zeigen sich bereits die Auswirkungen der „Sozialdiplomatie“ und ihrer Vertreter. Man denkt ganz einfach nicht mehr parteipolitisch und schon gar nicht ideologisch bestimmt. Hier wird kalte „Realpolitik“ betrieben, ,4m Staatsinteresse“, jenseits von Gut und Böse. Mit einem Wort: Die Außenpolitik überlassen wir den Diplomaten. Daß diese in wachsendem Maße bereits die Innenpolitik bestimmen, wird dabei geflissentlich übersehen.

Ist es wirklich vorbei mit der sozialistischen Alternative? Glaubt man tatsächlich, daß mit der Machtübernahme die Gesinnung beendet ist?

Ich bin überzeugt, daß dies nicht die vorherrschende Meinung in der SPÖ sein kann. Die jüngsten Äußerungen mancher führender Funktionäre verleiten aber fast zu dieser Annahme. Der Zeitpunkt ist gekommen - im 100. Gründungsjahr der österreichischen Arbeiterbewegung sowie der Sozialistischen Internationale - um über diese Dinge (oder „Undinge“) offen zu reden. Ich bin für weniger Diplomatie und wieder für mehr Gesinnung in der SPÖ.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung