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Bestenfalls ein Signal

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Das Ergebnis des Konrad-Lorenz-Volksbegehrens war zumindest für die Pro-ponenten eine Enttäuschung. Hat sich die direkte Demokratie vielleicht schon überlebt?

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Das Ergebnis des Konrad-Lorenz-Volksbegehrens war zumindest für die Pro-ponenten eine Enttäuschung. Hat sich die direkte Demokratie vielleicht schon überlebt?

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FURCHE:Kann das Instrument des Volksbegehrens heute überhaupt noch eine eigene Dynamik im politischen Prozeß entwik-keln?

BERNHARD RASCHAUER: Wenn zum Beispiel auf ein Volksbegehren mit über einer Million Unterschriften überhaupt keine Reaktion der politischen Verantwortungsträger erfolgt, dann wirkt das auch bei nachfolgenden Volksbegehren nicht besonders motivierend.

FURCHE: Hat das Instrument des Volksbegehrens in der derzeitigen Form dann noch einen Sinn ?

RASCHAUER: Unmittelbare Volksentscheide haben ihre größte Berechtigung auf den untersten Stufen der Gebietskörperschaften.

Auf Bundesebene haben allein schon die Fragestellungen eine globale und daher oft auch abstrakte Dimension. Da geht es nicht mehr um lokale Ereignisse, zu denen ein emotionales Naheverhältnis besteht.

Direktdemokratische Initiativen werden bei der dezentralen Entscheidungsfindung als griffiger empfunden. Uberhaupt wird der Ausbau der Partizipationsmöglichkeiten des Bürgers bei den konkreten Einzelentscheidungen immer wichtiger.

FURCHE: War es also sinnvoll, unsere Bundesverfassung mit direktdemokratischen Instrumenten anzureichern bzw. soll man diese heute noch ausbauen?

RASCHAUER: In der Bundesrepublik hat man von vornherein Vorbehalte gegen die direkte Demokratie auf Bundesebene gehabt. Das deutsche Grundgesetz kennt keine Instrumente der direkten Demokratie. Aber auch in Frankreich steht man seit dem Einsatz des Plebiszits durch Charles de Gaulle zum Zwecke der Selbstbestätigung der direkten Demokratie reserviert gegenüber.

Nur in der Schweiz funktioniert direkte Demokratie - kraft langer Tradition. Wenn wir in Österreich schon deswegen das „Schweizer Modell” nicht vorbehaltlos übernehmen sollten, ein Bewußtseinswandel in eine Richtung würde auch uns nicht schaden: immer dann, wenn eine größere politische Entscheidung ansteht, dann muß man zuerst bei mir als Hausherrn in der Republik Österreich rückfragen.

FURCHE: Wenn wir schon nicht die plebiszitäre Tradition der

Schweizer Nachbarn haben, was können wir dann tun?

RASCHAUER: Ich wünsche mir, daß in Österreich das Verständnis wächst, das Volk ist der eigentliche Souverän und seine Repräsentanten nehmen ihre Aufgaben treuhändisch wahr. Einen solchen grundlegenden Bewußtseinswandel kann man auch durch den Ausbau der direkten Demokratie wahrscheinlich nicht erzwingen.

Bei der Weiterentwicklung unserer Demokratie wird man verschiedene Bereiche gleichzeitig regeln müssen, zum Beispiel eine andere Amtsauffassung von den Politikern fordern: daß sie sich nämlich als Hausverwalter des Hauses Österreich verstehen und deshalb auch Aufträge vom Hausherrn, dem Bürger, entgegennehmen, ohne daß es sie irritiert.

Es darf doch kein Rücktrittsgrund für einen Bürgermeister sein, wenn bei einer Volksabstimmung gegen seine persönliche Auffassung entschieden wird.

FURCHE: So gesehen haben dann wohl Volksbegehren zu so zentralen Themen wie Schutz der Umwelt gar nicht viel Sinn?

RASCHAUER: Volksbegehren haben im besten Fall eine Signalwirkung. Auch wenn zum Beispiel der Text des Konrad-Lorenz-Volksbegehrens in der vorgelegten Form Gesetz wird, wäre für die konkrete Umweltsituation noch lange nichts getan. Denn die Novelle zur Gewerbeordnung oder eine 3. Durchführungsverordnung zum Dampfkesselemissionsgesetz bleibt den technischen und legistischen Experten im Parlament vorbehalten.

FURCHE: Dennoch fürchten viele, daß es bei einem Ausbau der direkt-demokratischen Möglichkeiten zu letztlich unüberbrückbaren Spannungen zwischen ple-biszitären Anliegen und repräsentativer Demokratie kommen kann.

RASCHAUER: Theoretisch kann ein solches Spannungsverhältnis durchaus auftreten. Wenn zum Beispiel eine Partei durch den Wählerauftrag zur Verwirklichung ihres Programms autorisiert wird, dann soll dies durch dauernde Volksentscheide nicht ins Gegenteil verkehrt werden. So etwas wäre dann ein Anlaß für Neuwahlen.

Nur: In unserem derzeitigen System gibt es ja keine Volksabstimmimg gegen den Willen der Parlamentsmehrheit. Deshalb wird unser Staat noch lange nicht untergehen, wenn die direktdemokratischen Instrumente ausgebaut würden. Von einer exzessiven Anwendung solcher Instrumente sind wir ja noch meilenweit entfernt.

Mit Bernhard Raschauer, Professor für Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien, sprach Tino Teller.

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