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Den Wind einspannen

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Der Wind bläst gratis, und schon früh haben die Men- schen die Energie, die in ihm steckt, zu nutzen gewußt. Die ältesten Windmühlen drehten sich schon vor 4.000 Jahren. Von einigen rund3.000 Jahre alten Windmühlen im ägypti- schen Alexandria existieren sogar noch Mauerreste.

Segel wurden nicht nur auf Schif- fen, sondern auch an Land einge- setzt. Heute noch findet man im Mittelmeerraum, etwa auf Kreta, zahlreiche Segelwindmühlen.

100.000 Windmühlen des Hollän- der-Typs mit einer Leistung von 15 bis 35 Kilowatt drehten sich um 1900 an der windreichen Nordsee- küste von Dänemark bis Belgien. 22.000 waren es allein in Deutsch- land. Ihre Gesamtleistung: rund 600 Megawatt, die damals den Fort- schritt mit antrieben. Sie wurden von Kohle und Öl verdrängt.

Die Menge der „Primärenergie Wind" hängt stark von der Wind- geschwindigkeit ab: Bei Verzehn- fachung der Geschwindigkeit steigt die Energie auf das Tausendfache. Schon bei der kaum merklichen Änderung der Geschwindigkeit von fünf auf sechs Meter pro Sekunde verdoppelt sich das Energieange- bot. Diesen schnell wechselnden Kräften der bewegten Luftmassen, Böen und Turbulenzen müssen die Alternativkraftwerke standhalten.

Kernstücke der Anlage sind die Rotoren mit der zugehörigen Steue- rung. Ein Getriebe übersetzt die langsame Drehung der Turbine in höhere Drehzahlen für den strom- erzeugenden Generator. Außerdem brauchen die Apparaturen zahlrei- che elektrische Regeleinrichtungen und Sicherungen gegen Sturm und elektrische Überlastung.

Die meist aus Stahl oder Beton gefertigten Türme sind bei kleinen Anlagen etwa 20 bis 30 Meter hoch, bei größeren Anlagen sind es rund 100 Meter. In größeren Höhen bläst der Wind stärker und nicht so un- gleichmäßig wie in Bodennähe, wo durch Bodenrauhigkeit, Bebauung und Bäume starke Turbulenzen auf- treten. Vorteil höherer Masten: Die Anlagen liefern mehr Strom und werden weniger durch Windböen belastet.

Die Windturbine ist das Herz- stück und der teuerste Teil der Anlage. Moderne Turbinen besit- zen nur wenige schmale Flügel, weil diese mehr Energie aus der Luft holen als viele breite. Die Blätter eines Rotors arbeiten ähnlich wie die Tragflächen von« Flugzeugen: Durch „Zerschneiden" der Luft in schraubenförmig zusammenhän- gende Scheiben entsteht ein Strö- mungsfeld, das durch Auftriebs- kräfte die Blätter antreibt.

Um dem Wind möglichst viel Energie zu entziehen, sind spezielle Formen und Profile für Rotorblät- ter entwickelt worden, wie sie auch aus dem Flugzeugbau bekannt sind. Bei kleineren Anlagen messen die einzelnen Flügel etwa fünf bis zehn Meter, bei Riesen wie dem bekann- ten „Growian" bis zu 50 Meter. Die am häufigsten benutzten Materia- lien sind glasfaserverstärkte Kunst- stoffe. Holz- und Metallflügel sind den starken Belastungen durch die schnell veränderlichen Kräfte des Windes ebenfalls gewachsen...

Die wohldurchdachte, am poten- tiellen Markt orientierte Förderung hat in den USA zur Entwicklung von etwa 20 Typen kleiner und mittlerer Windkraftanlagen ge- führt, die von vornherein auf große Serien ausgelegt wurden.

Befürchtungen, die Anlagen könnten sich negativ auf die Um- welt auswirken oder nicht sicher genug sein, haben sich durchwegs als grundlos erwiesen. Die Erfah- rung mit vielen tausend kleinen Windkraftwerken: Schwere Unfäl- le durch abgebrochene Flügel oder umgestürzte Masten hat es bisher nicht gegeben. Die Anlagen wurden auch nicht zu Todesfallen für Vö- gel; Fernseh- und Radioempfang bleiben ungestört. Die Rotorblätter sausen nicht lauter als der Wind, und an den Anblick der schlanken Masten mit den großen Propellern an der Spitze haben sich die Ameri- kaner schnell gewöhnt. Die herköm- mlichen Hochspannungsmasten, die Betonklötze und Riesenkühltürme der großen Kraftwerke, die giftspei- enden Riesenschlote rings im Land wirken da viel häßlicher.

Auszug aus „natur" 1 /1985

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