Aufwind kontra Gegenwind

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Nach einer vierjährigen Phase der Stagnation sollen in Österreich heuer erstmals wieder Windkraftanlagen in nennenswerter Anzahl errichtet werden. Das ist dem vergangenen Februar erhöhten Einspeisetarif zu danken. Betreiber von Windrädern erhalten künftig 9,7 Cent für jede ins Netz eingespeiste Kilowattstunde Strom. Investitionen in den Bau von Neuanlagen sind damit wieder lohnenswert. Eine durchaus positive Entwicklung, möchte man meinen. Doch nicht alle teilen diese Euphorie. Zeitgleich rüsten sich nämlich auch wieder Bürgerinitiativen, die eben diese zu verhindern trachten. Dann wird wieder tief ins Polemik-Arsenal gegriffen, mit Don Quixote’schem Eifer gegen den "Windadel“ gehetzt, das grausame Treiben der rotierenden "Vogelkiller“ angeprangert und die Verschwörung der in Wahrheit kapitalistischen Öko-Lobby beklagt. Mediale Aufmerksamkeit ist ihnen jedenfalls sicher. Denn wehrhafte Individuen, die sich zivilcouragiert der Obrigkeit widersetzen, sind stets eine Schlagzeile wert.

Halb- und Unwahrheiten im Netz

Es ist nicht immer leicht, notorisches Querulantentum von ernsthafter, begründeter Sorge betroffener Anrainer zu trennen. Daran sind die Anti-Wind-Aktivisten oftmals selber schuld. Ohne ihnen böse Absicht zu unterstellen - aber meist sind sie Laien in der Materie, die nicht selten Halb- und Unwahrheiten wiederholen, die sich auf einschlägigen Internetseiten per Mausklick schneller als der Wind verbreiten.

So hört man immer wieder das Gerücht, jedes zusätzlich aufgestellte Windrad verdopple den Lärm. Ein so ähnliches Phänomen gibt es tatsächlich. Allerdings im Bereich des Infraschalls, der für Menschen nicht hörbar ist.

Ganz oben auf der Liste der Argumente gegen die Windkraft steht die "Verschandelung“ der Natur. Das ist eine legitime subjektive Wahrnehmung, kann als solche aber nur schwer gegen den quantifizierbaren Nutzen von erneuerbarer Energie für Klima und Erdölunabhängigkeit ins Treffen gebracht werden.

Zusätzlichen Zündstoff bietet die neue Generation von Windkraftanlagen. Statt der bisher üblichen zwei Megawatt leisten sie gleich drei. Dafür sind sie um einiges höher. Was energetisch sinnvoll ist, weil in höheren Lagen der Wind gleichmäßiger bläst, sorgt gleichzeitig für eine kilometerweite Sichtbarkeit. Die Bürgerinitiative "Lebenswertes Müllendorf“ weist beispielsweise darauf hin, dass eine Windanlage vier Mal so hoch ist wie der örtliche Kirchturm. Das ist fein gerechnet, tut aber nichts zur Sache. Nach dieser Logik hätte niemals ein zweistöckiges Haus gebaut werden dürfen (geschweige denn der Turm).

Strom ist im nationalen Interesse

Wahr ist, dass die Errichtung industrieller Anlagen - und solche sind Kraftwerke nun einmal - meist Interessenkonflikte impliziert. Die lokale Flora und Fauna sind davon unwidersprochen betroffen. Andererseits gibt es das Instrument der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), das eine allfällige Baubewilligung von strengen Auflagen abhängig macht. Dass schwächelnde Bürgermeister und Gemeinderäte eingedenk der nächsten Wahlen zuweilen Volksabstimmungen durchführen lassen, zeigt ein Missverständnis von der Funktion direkter Demokratie. Denn Strom, insbesondere aus erneuerbaren Energieträgern erzeugter, ist ein Gut von nationalem Interesse. Ein Interesse, das weit über den Gartenzaun hinaus reichen sollte. Dafür ein kleines Opfer zu bringen, ist kaum zu viel verlangt. Wer ist noch nicht von der morgendlichen Müllabfuhr geweckt worden? Wer verwünscht nicht manchmal die Parkraumbewirtschaftung oder die Gebühren öffentlicher Verkehrsmittel?

In Österreich sind derzeit 625 Windräder mit einer Jahresleistung von insgesamt 1011 Megawatt installiert. Das derzeitige Förderregime ermöglicht weitere 600 Megawatt bis zum Jahr 2015. Dazu kann es nur ein Ja geben.

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