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Österreich: Keine Rede vom Musterland

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Wieder gibt es in Österreich Auseinandersetzungen um den Bau eines Kraftwerkes. Hat sich unsere Energiepolitik seit den Debatten um Hainburg entscheidend geändert?

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Wieder gibt es in Österreich Auseinandersetzungen um den Bau eines Kraftwerkes. Hat sich unsere Energiepolitik seit den Debatten um Hainburg entscheidend geändert?

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Österreich ist im Bereich der Energiepolitik weit davon entfernt, ein Umweltmusterland zu sein. Die Folge der Versäumnisse sind umstrittene Kraftwerksprojekte wie jenes in Lambach an der Traun.

Elf Jahre sind vergangen, seit zu Weihnachten 1984 die harten Auseinandersetzungen um das geplante Donaukraftwerk Hainburg die Republik gespalten haben. Daß das Kraftwerk nicht gebaut wurde und „die Au" erhalten geblieben ist, war vor allem auf die hartnäckigen Aubeset-zungen der damals noch recht splitterhaft organisierten Umweltbewe-gung zurückzuführen.

Mehr als ein Jahrzehnt später weckt der Konflikt um das Traun-kraftwerk Lambach in Oberösterreich zahlreiche Erinnerungen an die Proteste von damals. Nachdem letzte Woche trotz heftiger Proteste mit den ersten Rodungsarbeiten begonnen wurde, erreichte der Widerstand gegen das Projekt nun eine neue Qualität. Die Verhinderung von Lambach wurde zum Anliegen der gesamten österreichischen Ümweltbewegung. Gemeinsam mit den Bürgerinitiativen aus der Begion wurde letzten Samstag ein Widerstandscamp eingerichtet, das mit einem großen Festakt eröffnet wurde.

Ein Grund für das Zustandekommen antiquierter Projekte wie Lambach muß auch in der Energiepolitik gesucht werden. Hier gab es 1995 einen völligen Stillstand, es wurden keine bedeutenden Vorhaben realisiert. Die Liste der Unterlassungen ist lang. An erster Stelle muß wohl das erneute Scheitern bei der ökologischen Steuerreform genannt werden. So konnte trotz mehrmaliger Anläufe nicht einmal eine Energiesteuer etabliert werden, in Diskussion blieb lediglich eine Budget-Sanierungsvariante, deren ökologische Lenkungsfunktion bezweifelt werden muß.

Österreich erreicht aber auch bei der Förderung erneuerbarer Energieträger längst keine Vorbildwirkung mehr, sondern hinkt sogar EU-Ländern mit Atomkraftnutzung hinterher. Weiters gibt es in Osterreich bis heute kein Gesetz zur Einspeisung von aus erneuerbaren Quellen produzierter elektrischer Energie ins öffentliche Netz, während ein derartiges Gesetz in der BRD bereits seit geraumer Zeit existiert und nachweislich zu einem Boom bei Windkraftanlagen geführt hat. Die ausgelaufene Fernwärmeförderung wurde ebensowenig erneuert, wie die Bedingungen für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen verbessert werden konnten. Auch ist es nicht gelungen, die Ideen der Effizienzsteigerung und des Energiesparens als fixen Bestandteil der Energiepolitik zu etablieren.

In der enorm wichtigen Frage der Organisation der Energiewirtschaft wurden keine zukunftsweisenden Konzepte präsentiert. Notwendig wäre ein Umbau der mächtigen Energieversorgungs- und Energiedienstleistungsunternehmen, aber an dieses heiße Eisen scheinen sich die politisch Verantwortlichen (noch) nicht heranzutrauen.

Da auch 1995 die Empfehlungen der österreichischen C02-Kommission zur Beduktion der Treibhausgase hartnäckig ignoriert wurden, wird die Erreichung des Toronto-Ziels (bis 2005 minus 20 Prozent der C02-Emissio-nen gegenüber 1988) immer unrealistischer. Zuletzt mußte auch Umweltminister Martin Bartenstein eingestehen, daß ohne eine drastische Änderung der Energiepolitik Österreich wohl weit über den in Toronto gemachten Versprechungen bleiben wird. Die neue Bundesregierung wird hier wohl einiges nachzuholen haben.

740 Millionen Schilling würde die Errichtung des Lambacher Kraftwerkes durch die oberösterreichische Stromgesellschaft OKA kosten. Für die immer zahlreicher werdenden Kritiker handelt es sich um ein überflüssiges, betriebswirtschaftlich sinnloses Projekt. Denn während der Bedarf an elektrischer Energie in Österreich in den letzten Jahren stagnierte (gesamteuropäischer Trend), ging der Absatz der OKA seit 1992 kontinuierlich zurück. Jährlich wird „ein Kraftwerk Lambach weniger" gebraucht.

Über 90 Prozent der Flüsse in Oberösterreich sind bereits verbaut. Eine der letzten freien Fließstrecken Oberösterreichs an der Traun ist nun in Gefahr. Auwälder, wertvolle Brutstätten für unzählige Vogelarten der roten Liste, sind bedroht. Bei der Projektplanung gab es weder eine Umweltverträglichkeitsprüfung noch ein Bürgerbeteiligungsverfahren. Die ortsansässige Bevölkerung kämpft schon seit Jahren massiv gegen das Projekt. Herbert Huss, Sprecher der „Bürgerinitiative Lebensraum Traun", ist über diese Vorgangsweise besonders empört: „Das Projekt Lambach ist ein Bückfall in die umweltpolitische Steinzeit und eine Bankrotterklärung für eine moderne Energie- und Umweltpolitik in Österreich."

Der gesamte Genehmigungsprozeß bei dem Kraftwerksprojekt ist rechtlich äußerst bedenklich. Lambach wäre ohne politischen Druck naturschutzrechtlich nicht genehmigungsfähig. Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird sich mit der „Causa Lambach" beschäftigen. Der Bau ist mit EU-Recht nicht vereinbar. Eine Klage des WWF ist bereits bei der Europäischen Kommission anhängig. Die Begründung liefert WWF-Jurist Bernhard Drumel: „Nach den EU-Naturschutzrichtlinien muß eine Stellungnahme der EU-Kommission eingeholt werden, da Lebensräume von europäischer Bedeutung für den Artenschutz betroffen sind. Dies ist bis heute nicht geschehen."

Das Naturschutzverfahren stellt ein besonders dunkles Kapitel der österreichischen Bechtsgeschichte dar. Im Juni 1995 hatte Landeshauptmann Josef Pühringer das Projekt Lambach politisch durchgedrückt, obwohl es von der Naturschutzfachbehörde als mit dem oberösterreichischen Naturschutzgesetz nicht vereinbar bewertet und deshalb abgelehnt wurde. In einem Bechtsgutachten kommt der Linzer Universitätsdozent Erich Wolny zum Schluß, daß diese Vorgangsweise vor einem Höchstgericht kaum standhalten würde.

Vor Ort wird der Widerstand jedenfalls fortgesetzt. Die Kraftwerksgegner wollen den Fortgang der Bauarbeiten verhindern, um eine „Nachdenkpause" und eine neuerliche Diskussion des Projekts zu erreichen.

Unverdächtige Schützenhilfe kommt dabei von der OECD. Im in letzter Zeit häufig zitierten OECD-Länderbericht zur österreichischen Umweltpolitik wird Österreich geraten, in Zukunft Vorsicht beim weiteren Ausbau der Wasserkraft walten zu lassen.

Der Autor ist

Mitarbeiter von Global 2000 in Wien.

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