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Der Inflationsmotor

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Der endgültige Budgetentwurf 1974 fiel schlimmer aus als erwartet: war bei den anläßlich der Vorverhandlungen genannten Zahlen noch von einer elfprozentigen Ausgabensteigerung die Rede, so wurde nun der Ausgabenrahmen für das sogenannte Grundbudget 1974 mit 159,4 Milliarden Schilling festgelegt, was gegenüber den Ansätzen für den ordentlichen Haushalt im Budgetentwurf 1973 eine Expansion um 14,6 Prozent bedeutet.

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Der endgültige Budgetentwurf 1974 fiel schlimmer aus als erwartet: war bei den anläßlich der Vorverhandlungen genannten Zahlen noch von einer elfprozentigen Ausgabensteigerung die Rede, so wurde nun der Ausgabenrahmen für das sogenannte Grundbudget 1974 mit 159,4 Milliarden Schilling festgelegt, was gegenüber den Ansätzen für den ordentlichen Haushalt im Budgetentwurf 1973 eine Expansion um 14,6 Prozent bedeutet.

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Wenn man bedenkt, daß für 1974 ein nominelles Wachstum des Nationalproduktes um nur 12 Prozent prognostiziert wurde — gar nicht zu reden von der realen Steigerung, die lediglich 4,5 Prozent betragen soll —, so zeigt dies, daß die Behauptung des Finanzministers, es handle sich hier um ein Stabilisierungsbudget, an der Wahrheit ziemlich weit vorbeigeht — um es höflich auszudrücken. Hier auch nur von „Ansätzen“ einer Stabilisierungspolitik zu reden, wie es gegenwärtig die professionellen Beschwichtigungshofräte tun, bedeutet kein Bemühen um Ojektivität und Unvoreingenommenheit, sondern schlechthin Beschönigung, ja Täuschung.

Um ein Budget überhaupt nur als währungspolitisch neutral bezeichnen zu können, darf es, darüber sind sich die Experten einig, nicht stärker steigen als das Nationalprodukt. Die „Expansionisten“ konzedieren dabei eine Steigerung im Ausmaß des nominellen Nationalprodukts, während die „Realisten“ unter den Finanzwissenschaftlern die Meinung vertreten, daß nur dann vom Budget keine Inflationsimpulse ausgehen, wenn seine nominelle Steigerung nicht höher ist als das reale Wachstum des Nationalprodukts.

Wie dem auch sei, die Inflation in Österreich ist schlimm genug, so daß

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es wünschenswert wäre, das Budget nicht nur neutral zu halten, sondern ihm sogar eine inflationsbremsende Wirkung zu verleihen, weshalb es sich auf alle Fälle eher am realen als am nominalen Zuwachs des Nationalprodukts orientieren sollte. Was aber geschieht?

Der Explosion der Budgetausgaben um 14,6 Prozent steht ein prognostiziertes nominales Wachstum des Nationalprodukts von 12 Prozent und ein reales von gar nur 4,9 Prozent gegenüber. Die präliminierte Ausgabensteigerung ist also dreimal so hoch als sie auf Grund einer gesunden Etatpolitik sein dürfte!

Dabei dürfte es beim Ausgabenanstieg von 14,6 Prozent nicht bleiben, da bereits diese Zahl das Resultat einer raffinierten Budgetkosmetik ist. Diese relativ günstige Optik wurde vom Finanzminister dadurch erreicht, daß er die bisherige Zweiteilung des Budgets in ein ordentliches und ein außerordentliches durch eine Dreiteilung in das Grundbudget, die „Stabilisierungsquote“ und das Konjunkturbelebungsbudget ersetzte.

Die Stabilisierungsquote in Höhe von 4,9 Milliarden enthält im großen und ganzen nichts anderes als die Ermessenskredite, die bisher im ordentlichen Budget untergebracht waren. Dem ordentlichen Budget 1973 entspricht somit das Grundbudget 1974 zuzüglich der Stabilisierungsquote. Vergleichen wir aber diese beiden Größen, so resultiert daraus für das kommende Jahr sogar eine Ausgabenzunahme um 18 Prozent.

Sicherlich besteht theoretisch die Möglichkeit, daß der Finanzminister sich mit dem Grundbudget begnügt und die Stabilisierungsquote nicht aktiviert. Wenn wir aber seine bisherige Politik betrachten, so ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering.

Auch in diesem Jahr hätte theoretisch die Möglichkeit bestanden, Budgetkürzungen durchzuführen und

die Ermessenskredite weitgehend zu streichen. Die Konjunktur- und Währungssituation hätte dies dringend erfordert. Was aber tat der Finanzminister? Er sprach nur zeitweilige Bindungen aus und hob diese im Herbst der Hauptsache nach wieder auf, auf diese Weise die Staatsausgaben nicht einschränkend, sondern nur auf den Herbst zusammendrängend, was konjunkturpolitisch besonders inopportun ist. Ja, er machte noch ein übriges, indem er — bisher! — zwei Budgetüberschreitungsgesetze einbrachte, davon allein das letzte mit 3 Milliarden, und auf diese Weise den Ausgabenrahmen noch zusätzlich ausweitete.

Zugegeben, er hat sich selbst an Direktiven gebunden, auf Grund denen er die Stabilisierungsquote aktivieren wolle. Aber gerade diese Direktiven deprimieren: auf die Freigabe der Stabilisierungsquote soll nur verzichtet werden, wenn die Inflation die für das kommende Jahr prognostizierte 7,5-Prozent-Marke überschreitet. 7,5 Prozent Geldentwertung wird also bereits als „normal“ angesehen, nicht als Anlaß zu staatlichen Anti-Inflationsmaßnahmen betrachtet. Brutaler kann man die totale Kapitulation vor der Inflation nicht mehr darlegen.

Die Sache wird noch komplizierter und unglaubwürdiger dadurch, daß als Kriterium für die Aktivierung des Konjunkturbelebungsbudgets — das bisherige außerordentliche Budget — ein „Konjunkturtief“ angegeben wurde. Was dahinter zu verstehen ist, ob eine echte Rezession oder schon ein leichtes Abflauen der gegenwärtigen Konjunkturüberhitzung — ist mangels genauerer Spezifikationen dem jeweiligen Ermessen des Finanzministers überlassen.

Nun besteht aber durchaus die Möglichkeit, daß Österreich in eine Stagflation — also eine Konjunktur-abschwächung bei gleichzeitiger Fortdauer der Inflation — hineinschlittert. Soll dann die Stabilisierungsquote nicht aktiviert werden, weil die Inflationsrate 7,5 Prozent übersteigt, und das auf sie aufbauende und ohne sie vielfach gar nicht durchführbare Konjunkturbelebungsbudget aber schon, weil die Konjunktur zurückgeht?

Vielleicht hat der Finanzminister wieder Glück und die Entscheidung in dieser delikaten Frage bleibt ihm erspart. Im Interesse aller Österreicher wäre es ihm zu wünschen. Sein Budget allerdings leistet keinen Beitrag zur Inflationsbekämpfung und zu einer gesunden Konjunkturpolitik.

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