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Deutschland, deine Filme(r)

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Die Ereignisse des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkrieges hatten das Filmbewußtsein der deutschsprachigen Öffentlichkeit gründlich gestört. Der Tradition war man verlustig, der welt­weiten Kinoinformation jahrelang ent­zogen und der Ideologie nun überdrüs­sig geworden.

Mit Wiederaufbau und Wirtschafts­wunder beschäftigt, wollte keine rechte Filmindustrie entstehen, befleißigte man sich doch harmloser Unterhal­tungsstreifen, die dem Durchschnitts­bürger auf seine Feierabend-Bedürf­nisse zurechtgeschneidert waren. Staat war damit nicht zu machen.

In den sechziger Jahren jedoch be­gann der Junge, neue deutsche Film“ (so z. B. die Gebrüder Schamoni, A. Kluge, V. Schlöndorff u. a.), entspre­chend der „Nouvelle vague“ in Frank­reich, ein neues, sozialkritisches und ästhetisch selbstbewußtes Kino zu ma­chen.

Kluge z. B. schuf ironische Collagen über bundesdeutsche Mißstände („Die Artisten in der Zirkuskuppel“, 1967), Peter Lilienthal skizzierte in „Malate- sta“ (1969) das Leben von Anarchisten und auch der künstlerische Under­ground, der durch Pop und das New American Cinema beeinflußt war, regte sich im Dunstkreis von Filmclubs und Cineasten-Treffs.

Schroeter, Praunheim und Ackeren entdeckten für sich den selbstironischen Kitsch, den Theater-Schwulst und das Melodram, das nun Einzug hielt als Stilmittel, und vor allem bei Rainer Werner Faßbinder seine Fortsetzung fand (siehe dazu die FURCHE-Film- kritik zu „Lili Marleen“).

Während Herbert Achternbuschs Nonsens-Kraftakte auf Bayerisch den Karl Valentin einen guten Mann sein lassen und Klaus Lemke mit seinen Mi­lieustreifen aus der Schwabinger Sub­kulturschickeria durch Witz zwar München, nicht aber den deutschspra­chigen Raum überschreiten, sind es vor allem die zahlreichen und meist gelun­genen Literaturverfilmungen, die auch im Ausland Interesse erwecken.

Schlöndorffs Musil-„Törleß“ (1966), Johannes Schaafs Joseph Roth- Adaption „Trotta - Die Kapuziner­gruft“ (1971) und seine Kubinversion

„Traumstadt“ (1974) sowie Faßbin­ders „Effi Briest“ nach Fontane (1974) seien hier erwähnt. Werner Herzogs sehr poetische Parteinahme für Außenseiter („Auch Zwerge haben klein angefangen“, 1979, „Nosferatu“ und „Woyzeck“, beide 1978) und Hans-Jürgen Syberbergs siebenstündi­ger „Hitler-ein Film aus Deutschland“ (1976/77) machten das Phänomen des Autoren-Films deutlich: nicht die Handlung, die Handschrift wurde ent­scheidend.

Diese schöpferische Kraft der „In­nerlichkeit“ - die deutsche Romantik ist da keineswegs zu verleugnen - könnte dem so äußerlichen Unterhal­tungsfilm der USA zusätzliche Dimen­

sionen verleihen. Die „Dream factory“ hat schon viele Deutsche und Österrei­cher aufgenommen (Lubitsch, Lang, Wilder, Murnau, Siodmak, Preminger, Sirk, Curtiz, Dieterle u. a.) und auch wieder ausgespien (z. B. Käutner und Wicki).

„The German Genius“ hat es in der Traumfabrik niemals leicht gehabt und oft seine Identität verlorert. Coppola („Der Pate“, „Apocalypse now“) je­doch macht sich Für „The New German Cinema“ stark und lockt. Schon drehte Wim Wenders in Kalifornien mit Ni­cholas Ray „Lightning over water“, und Syberberg soll seine Filme über Ri­chard Wagner und „Parsifal“ in den Studios von Los Angeles produzieren.

Die Hitler-Nazi-Filmwelle hat für Popularität gesorgt. Faßbinders „Ehe der Maria Braun“ wurde ein Kassener­folg und Hanna Schygulla in New York als die neue Marlene Dietrich gefeiert. Schon sagen Kritiker eine neue Emi­grationswelle der deutschen Filmer voraus. Ihr Erfolg blejbt abzuwarten.

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