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Deutsche Filme erobern Paris

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Ein deutscher Film ist vor kurzem in Paris uraufgeführt worden. Es handelt sich um „Lola" von Rainer Werner Fassbinder. Die Fachzeitschrift „Le Film Francais" zeigt „Lolas" Plakat auf dem Schutzumschlag. Die Presse berichtete ausführlich über den Film. Der bekannte Pariser Kritiker Francois Chalais schrieb: „Ich liebe diesen Gedankengang. Er beruhigt diejenigen, für die das künstlerische Schaffen eher das Zweifeln fördert, im Gegensatz zu einer gedankenlosen und besänftigenden Sicherheit."

Zur gleichen Zeit entdeckte Paris den letzten Film von Helma Sanders: „Die Berührte", einen Streifen über den Wahnsinn in seiner Logik und Ehrlichkeit. Ein couragierter Film, der die Geschichte eines Mädchens schildert, das sein Ideal in der Wirklichkeit konsequent erleben will. Parallel zu der Uraufführung des Films in Paris veranstalteten „Les Films du Marais" und die französische Cinemathek eine vollständige Retrospektive der Filme jener Regisseurin, die dank ihrem Film „Deutschlands bleiche Mutter" in Paris schon bekannt war.

Vor einigen Wochen wurde der in Libanon gedrehte Schlöndorff-FUm „Die Fälschung" uraufgeführt. Der Titel des Artikels von Jean de Baroncelli lautet: „Der Tod als eine Gewohnheit" und Francois Chalais schrieb: „Dieser Film entspricht nicht der Idee, die man sich von einer normalen

Filmproduktion machen kann. Er sieht eher wie einer dieser Alpträume aus, die wir im Leben haben, und zwar mit so weit aufgerissenen Augen, daß wir den Eindruck gewinnen, wir würden nie mehr imstande sein, wieder aufzuwachen". Die Leistung von

Bruno Ganz als Hauptdarsteller wurde auch von den Kritikern hervorgehoben. Das französische Fernsehen gab Schlöndorff die Möglichkeit, über seinen Film zu sprechen.

Es ist interessant, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. 1966, also vor 15 Jahren, war der deutsche Film so gut wie unbekannt in Frankreich. Die einzige Ausnahme war Schlöndorffs „Junger

Törless", der in Cannes gezeigt wurde. In dem selben Jahr wurde allerdings auch „Anita G" von Alexander Kluge von den Kritikern entdeckt.

Bald wurde der junge deutsche Film bekannter. Man zeigte Werke wie „Es" und „Alle Jahre wieder" von Schamoni, „Mahlzeiten" von Edgar Reitz, „Tätowierung" von Johannes Schaaf, „Zur Sache Schätzchen" von May Spils oder „Lebenszeichen" von Werner Herzog, um nur einige zu zitieren. Diese Filme, die im Goethe-Institut in Paris vorgeführt wurden, erweckten das Interesse, und es sprach sich herum, daß es einen jungen deutschen Film gibt, ein origineller Stil aus einer neuen Schule.

im Jahre 1972 wurde „Ludwig II - Requiem für einen jungfräulichen König" von Hans-Jürgen Syberberg in Paris mehrere Monate lang gezeigt. Die Kritiken waren hervorragend. Im selben

Jahr hatte Herzog mit „Aguirre, der Zorn Gottes" einen großen Erfolg. Dank dieses Films machte Herzog beim Festival von Cannes auf sich aufmerksam.

Fassbinder hat viel Zeit gebraucht, um die Zuschauer zu gewinnen. Schon seit Jahren sind seine Arbeiten in Paris gezeigt worden. Filme wie „Effi Briest", „Der Händler der Vierjahreszeiten", „Die bitteren Tränen der Petra von Kant", „Faustrecht der Freiheit", dann „Satansbraten" (75), „Chinesisches Roulett" (76), „Despair" (78), „In einem Jahr mit 13 Monden" und „Die dritte Generation" (78) waren den Kritikern bekannt. Allerdings war Fassbinders erster großer Publikumserfolg „Die Ehe der Maria Braun" (1980). Hanna Schygulla bestätigte ihren Ruhm mit „Lili Marleen". Dank dieser beiden Filme wurde der Regisseur in ganz Frankreich berühmt. Das französische Fernsehen widmete darauf Fassbinder und Hanna Schygulla eine Sendung mit Interviews und Ausschnitten der früheren Fassbinder-Filme.

Schlöndorff hatte sich 1975 beim französischen Publikum beliebt gemacht, nämlich mit dem Werk „Die verlorene Ehre der Katharina Blum", und „Die Blechtrommel" (1979) errang die Goldene Palme des Festivals von Cannes (sowie den Oscar).

Es ist nicht möglich über den deutschen Film in Frankreich zu sprechen, ohne Wim Wenders zu nennen. Seine Filme: „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" (71), .Alice in den Städten" (73), „Falsche Bewegung" (74) wurden von der Presse lebhaft begrüßt. Das Festival von Cannes präsentiert drei Filme des Regisseurs: „Im Lauf der Zeit", dann „Der amerikanische Freund" und schließlich „Nick's Movie".

Filmemacher wie Werner Schröter und Daniel Schmid werden auch von Kinofans hoch geschätzt. Die Mehrzahl der Filme von Schröter sowie die von Daniel Schmid wurden in Paris gezeigt. Die internationale Kritik wurde auf Schröter dank seines Films „Neapolitanische Geschwister" aufmerksam. Auch Wolfgang Petersen, dessen Filme „Die Konsequenz" und „Schwarz und Weiß wie Tage und Nächte" in Paris gezeigt wurden, macht hier seinen Weg.

Man muß schließlich auch auf das Erstlingswerk von Ulrich Edel „Christiane F - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" hinweisen, ein Kassenrenner in Frankreich wie in Deutschland.

Der junge deutsche Film ist reif geworden. Die Franzosen loben sein intellektuelles und kulturelles Niveau, seine Courage, die Qualität seiner Regie und die wichtigen Themen, die behandelt werden. Diese Filme sind nicht „leicht"; sie bieten keine „Unterhaltung" als solche, aber sie bringen Ideen, und regen zum Nachdenken an.

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