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Deutsche Filmemacher in Cannes Handke

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Deutsche Filmemacher zählen seit einigen Jahren zu den Liebkindern des renommierten Festivals von Cannes. Peter Handke, einer der führenden Erzähler unserer Zeit, hat seit jeher ein besonders inniges Verhältnis zum Film, und da er seit längerem in Paris ansässig ist war für ihn der Weg nach Cannes offenbar vorgezeichnet

Bisher ließ Handke seine Bücher verfilmen („Die Angst des Tormanns vorm Elfmeter“) oder schrieb (nach Goethe) selbst ein Drehbuch („Die falsche Bewegung“). Diesmal setzte er sich für „Die linkshändige Frau“ erstmals selbst auf den Regiestuhl, den in den beiden genannten Fällen Wim Wenders innegehabt hatte. Man kann nach der bisherigen Beziehung zum Film Handkes Ehrgeiz verstehen, ein eigenes Werk selbst auf die Leinwand zu transponieren - aber es ist nur ein Streifen wie von Wenders herausgekommen.

„Die linkshändige Frau“ Handkes ist eigentlich eine schweigsame Frau, die ihrem Mann eines Tages eröffnet daß sie ihn zu verlassen gedenke, obzwar ein gemeinsames Kind da ist und die Beziehung nicht durch Außenstehende gestört ist. Den stillen Emanzipationsprozeß der Frau, das Loslösen der beiden Menschen voneinander, das nicht auf Anhieb geschieht, schüdert der Füm in einer Form, die wieder einmal zeigt, daß sich Handkes künstliche Sprache schwerlich für ein anderes Medium eignet. Das Regie-debut des österreichischen Autors hat geradezu meditativen Charakter, er zelebriert Nebensächlichkeiten, präsentiert schöne Bilder, die aber wenig optischen Aussagewert haben und widerspricht so in allem den Eigengesetzlichkeiten der Filmkunst.

Die an sich ausgezeichneten Schauspieler verstärken nur den ar-tifiziellen, sterilen Charakter des Füms: Edith Clever und Bruno

Ganz, zwei Stützen der Berliner Schaubühne. Und auch der Einsatz von Prominenz wie Minetti oder Bernhard Wicki in Nebenrollen bleibt vergebene Liebesmüh in einem Unternehmen, das den Charakter von Kunstdruckpapier nie verleugnen kann.

So hat der Streifen die Wesenszüge vieler Produkte deutscher Jungfilmer: er ist zwar prätentiös, aber in der Inszenierung unbeholfen und dadurch langweüig. Ja, man muß sagen, Handkes Erstling ist geradezu ein Un-Film geworden.

Im Gegensatz zu Handke ist Rainer Werner Fassbinder, obwohl auch noch ein relativ junger Mann, beim Film schon ein alter Hase. Er hat schon mehr als 20 Streifen inszeniert, von denen mir „Warum läuft Herr R. Amok?“, „Effi Briest“ und „Angst essen Seelen auf am nachhaltigsten in Erinnerung geblieben sind. Bei seinen meisten Filmen arbeitete Fassbinder nach eigenen Drehbüchern und schuf in der sozialen Realität der Gegenwart verwurzelte Werke.

In „Eine Reise ins Licht“ stützte sich der deutsche Regisseur auf eine Erzählung des „Lolita“-Autors Vladimir Nabokov, die der britische Dramatiker Tom Stoppard in ein Drehbuch ummünzte.

Und diese Geschichte eines schizophrenen jüdischen Fabrikanten, der sich in der Ära der Weltwirtschaftskrise durch einen scheinbar perfekten Mord via Versicherungsbetrug in einen neuen Anfang sanieren möchte, ist nicht Fassbinders Sache. Sie ist weder gesellschaftskritisch noch politisch noch formal interessant, er bekommt sie nie richtig in den Griff. In der Arbeit mit seinem Stammensemble war er viel erfolgreicher als hier im Zusammenwirken mit internationaler Schauspielprominenz.

Dirk Bogarde ist wie immer ein interessanter, aber auch hier zu exzentrischer Schauspieler und bei Andrea Ferreol, der „Dicken“ aus dem „Großen Fressen“, artet die mangelnde Führung durch den Regisseur zur unfreiwilligen Parodie aus. RICHARD EMELE

„Condottiere“ heißt diese Terrakotta-Plastik des 1935 in Plauen, DDR, geborenen und in Westberlin lebenden Rainer Kriester, dessen Arbeiten bis 20. Juni in der Stadtgalerie der Euro-Art in der Wiener Führichgasse zu sehen sind. Ähnlich wie viele andere aus der DDR stammende Künstler ist Kriester formal Avantgardist, in der Tendenz aber Humanist, stellt modernste ästhetische Mittel in den Dienst einer radikalen, provokati ven, alles andere als unpolitischen Aussage über den Menschen und die Gesellschaft. Kriester zeigt in Wien vor allem Köpfe - aber was für welche. Verrammelte, verkleisterte, bandagierte, vernagelte, verbarrikadierte Köpfe, Köpfe, die unter Dingern verschwinden, die Visiere und riesenhafte Scheuklappen sein können und sich nur in Einzelfällen für eines davon entscheiden, Köpfe, die aber dafür oft um so weiter aufgesperrte Ohren haben. Der menschliche Kopf als Bastion zwischen Innen und Außen, das verbarrikadierte Gesicht als Metapher für die Isolation des menschlichen Individuums, dem es unter seinen Schutzschilden ergeht wie der Besatzung einer Festung: Isolation von außen in Wechselwirkung mit Selbstisolation. Kriesters ebenso eindrucksvolle wie beängstigende Köpfe drücken nicht zuletzt die ganze Ambivalenz von Aggressor und Aggressionsziel aus. Dieser Bildhauer hat nicht nur, wie so viele, ein Objekt entdeckt, mit dem es sich experimentieren läßt, eine marktkonform reproduzierbare Masche (das natürlich auch!), sondern er macht daraus das Medium für eine ebenso persönliche wie ernstzunehmende Botschaft.

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