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„Le Rendez-vous de Biarritz“

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Nachdem der letztjährige Festival du film maudit“ in Biarritz darauf bedacht war, mißverstandene Filme zu rehabilitieren und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, suchte das diesjährige, wieder von der Pariser Filmbewegung .Objectif 49“ organisierte Filmtreffen neue Wege des Films aufzuzeigen. .Objectif 49“ sieht sein Ziel darin, alle6 zu fördern, was thematisch und stilistisch die Filmkunst bereichern und erneuern kann. — Erstmals in der Geschichte der Filmfestwochen wurde die Filmmusik gebührend gewürdigt durch die Veranstaltung von zwei Konzerten mit Musik von Filmpartituren. Ein Versuch, der einen zwiespältigen Eindruck hinterließ, weil einerseits der musikalische Wert dieser Musik in einzelnen Kompositionen wohl vorhanden war, andererseits diese Gebrauchsmusik aber die begleitenden Bilder nicht entbehren konnte und, davon losgelöst, nur als Geräuschkulisse wirkte. Die gute Filmmusik hört man, aber man hört ihr nicht zu. Durchaus neu war die szenische Vorstellung eines bisher nicht gedrehten Szenariums durch Jean G r e m 111 o n und seine Equipe. Vor einem projektierten Hintergrund ließ er die wichtigsten Szenen des Werkes spielen, die er durch einen Kommentar und selbstgeschriebene Musik zu einer Gesamtskizze des Films vereinte. Dieser Regiedemonstration kommt vor allem deshalb erhöhte Bedeutung zu, weil sie eindeutig bewies, daß das Drehbuch sich von der inneren Entwicklung des Films emanzipiert hat und zu einer eigenen literarischen Gattung geworden ist, die in Zukunft den Film mitbestimmen wird, wie dies beim Theater durch das Drama der Fall Ist.

Als eines der wichtigsten Ereignisse des Filmfestivals von Biarritz betrachten wir die Entdeckung von zwei jungen Regisseuren, die zum erstenmal mit einem Spielfilm vor die Öffentlichkeit traten. Alexander Mackendricks .Whisky Galore“ (1950) ist ein Meisterwerk englischen Humors, der eine künstlerisch gute Gestaltung erfahren hat. Michelangelo Antonioni schuf mit seiner .Chronik einer Liebe“ (1950) eine Milieustudie der höchsten Gesellschaftskreise Italiens, die an Renoirs „Regle du Jeu“ erinnert und formal mit dem Werk des Franzosen Robert Bresson verwandt ist. Ein Werk, das aus dem circulo vitio6o des italienischen Neorealismus herausgefunden hat und richtungweisend werden könnte für den italienischen Film. Rußland, seit 1946 zum erstenmal wieder an einem westeuropäischen Filmfestival vertreten, beglückte durch das in der Nachfolge Pudowkins stehende Werk „Die Jugend Gorkis“ von Donskoi (1938), während Svatchenkos „D e r d r i 11 e S c h 1 a g“ (1948) die Dekadenz des Sowjetfilms in den letzten Jahren dokumentierte. Einen bedeutenden Beitrag lieferte Amerika mit Nicolas Rays .The Live by Night“ und Clarence Browns .In truder in t h e Du s t“, einem Negerproblem nach einem Roman von Faulkner. Die zahlenmäßige Überlegenheit der anglo-amerikanischen Produktionen zeigte eindrücklich, wie recht Andre Malraux mit seinem Satz halte: „L'academisme du coup de poing dans la geule a succede ä l'academisme de la jeune fille gui joue du Bach.“ Das Vorherrschen der nackten Brutaliät und die zenlrale Stellung des geheizten Menschen sind als Symptome unserer Zeit zu werten. Die Gestalt des Gehetzten in einer absurden Welt ist seit Kafka zu einem dominierenden Thema geworden, das der Film von der Literatur übernommen und visuell gestaltet hat. Neben diesen düsleren Filmen wirkte der Puppenfilm des Tschechen Trnka wie ein Lichtblick aus einer anderen Welt. Dieses entzückende Werk läßt Andersens Märchen „Die Nachtigall und der Kaiser von China“ lebendig werden, ohne die zarte Welt der Märrhenwunder zu zerstören, wie dies durch Disneys Banalisierungen geschehen ist.

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