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Die Rückkehr des Ostens zu bewährtem Autoritarismus
Ministerpräsidentin Hanna Suchocka hatte kein Glück: ihrem als „Kapitalismus mit unmenschlichem Antlitz" verteufelten Reformweg mochte zuletzt das Parlament nicht mehr zu folgen. Präsident Lech Walesa machte den Parlamentariern aber autoritär einen Strich durch die Rechnung.
Ministerpräsidentin Hanna Suchocka hatte kein Glück: ihrem als „Kapitalismus mit unmenschlichem Antlitz" verteufelten Reformweg mochte zuletzt das Parlament nicht mehr zu folgen. Präsident Lech Walesa machte den Parlamentariern aber autoritär einen Strich durch die Rechnung.
Polen, das sich nach übereinstimmenden Aussagen vieler westlicher Wirtschaftsfachleute neben Ungarn als eines der ersten Reformländer des seinerzeitigen kommunistischen Ostmitteleuropas auf einem Erholungskurs befindet, ist politisch völlig zerstritten. 29 Parteien beherrschten und lähmten seit den Wahlen vom Herbst 1991 den Sejm. Walesa wollte dem ständigen Opponieren keine Chance mehr geben und tat, wozu er immer schon neigte: als starker Präsident nach französischem Vorbild löste er
den Querulantenclub auf.
Es scheint, als sei das Chaos im Osten Europas nur mehr mit starker, autoritärer Hand zu bewältigen. Boris Jelzin hat in seinem neuen Verfassungsentwurf, den er am kommenden Samstag der Verfassungskonferenz in Moskau vorlegen wird, den Machtbereich des Staatschefs sehr weit ausgedehnt. In Krisensituationen - so argumentieren die Verteidiger des Jelzin-Plans - müsse klar sein, wer das Sagen hat. Was passiert aber, so die Kritiker, wenn die Krise bewältigt ist? Muß man dann einfach weiter unter der Pranke des Präsidentenbären leben?
Auf einem parlamentarischen Schleudersitz befindet sich auch Bulgariens Ministerpräsident Ljuben Berow, Wirtschaftsexperte und erst seit fünf Monaten im Amt. Es geht wie in Polen und Rußland um die Fortsetzung eines Wirtschaftskurses, der zunächst für die Bevölkerung keine unmittelbar spürbare Verbesserung der Lebensverhältnisse mit sich brach-
te. Mehr als hunderttausend Demonstranten forderten unlängst bei einer gut vorbereiteten Kundgebung in Sofia den Rücktritt Berows.
Die Primitivformen des Kapitalismus mit ausbeuterischen Tendenzen haben einzelne im Osten in Fortsetzung der alten Schattenwirtschaft rasch erlernt. Soziale und demokratiepolitische Ansätze finden aber momentan wenig Anklang. Die Rückkehr zur verlorengegangenen Identität der eigenen Nation wird, parallel zum wirtschaftlichen Egoismus, nicht als Weg in die Isolation gesehen, sondern als Möglichkeit, durch forcierte Selbstbehauptung auf Kosten anderer Heil zu erlangen.
Besonders „liebevoll- wird diese Haltung -resultierend aus einer gewaltigen Demütigung des Selbstwertgefühls - von Serben gepflegt. Die Folgen: der notwendige Autoritarismus wird zum Rigorismus, der blind ist für komplexe politische, historische, soziale, wirtschaftliche und ethnische Entwicklungen. Einfache Lösungen mit brutaler Hand werden
bevorzugt. Jede nur andeutungsweise kontroverse Sichtweise der Probleme, die auch den Gegner ins Denken einbezieht, wird erbarmungslos ausgemerzt.
Jüngstes Opfer dieser Ideologie vom gedemütigten Volk, das sich - wild um sich schlagend - „verteidigen- muß, um überleben zu können: Dobrica Cosic, Dichterpräsident Restjugoslawiens. Sein Sturz ist die logische Folge des von ihm selbst vertretenen Denkens: in letzter Konsequenz ist Autoritarismus tödlich für jegliches Zusammenleben.
Zur Befriedung der Krisenherde werden Europa und die USA mehr als militärische Lösungen, Einrichtung von Sicherheitszonen, Finanzhilfen und technisches sowie wirtschaftliches Know-how anbieten müssen. Es gilt, die Kraft demokratischen Denkens und Handelns zu vermitteln und schmackhaft zu machen. Nur dann können wir uns in Europa endgültig von Autoritarismus und totalitärem Denken verabschieden.
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