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Die Wahrheit tun
Eine umstrittene Frage der Theologie ist heute das Verhältnis von Orthodoxie und Orthopraxie, von der rechten Lehre und der rechten Praxis des Glaubens. Die einen betonen die Orthodoxie. Sie legen den Akzent auf die Rechtgläubigkeit und sehen großzügig über eine mangelnde Praxis hinweg. Andere meinen, daß Orthodoxie ein Randproblem sei und alles auf die rechte Praxis ankomme.
Auf die entscheidende Bedeutung der Praxis verweist das Neue Testament. „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen des Vaters im Himmel erfüllt” Mt 7£1. Worin dieser Wille des Vaters besteht, wird deutlich in der Gerichtsrede. Er besteht vor allem in den Werken der Nächstenliebe: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan” Mt 25,40.
Trotzdem kann man Orthodoxie und Orthopraxie nicht gegenseitig ausspielen. Es gibt eine tiefe innere Verbundenheit zwischen rechtem Glauben und rechtem Handeln.
Einerseits setzt die rechte Praxis eine rechte Theorie voraus. Es muß ja einen Maßstab des Richtigen geben, um richtig handeln zu können; und dieser Maßstab muß für den Christen- aus dem Glauben kommen. Andererseits gibt es viele Erkenntnisse, die der Mensch erst im Handeln gewinnt.
„Aus der Verwirklichung, aus der Praxis von Freundschaft, Liebe, Hingabe, Vergebung erschließt sich, was Freundschaft, Liebe, Hingabe, Vergebung ist, was sie enthalten, was sie bedeuten. Aus dem Ertragen, der Annahme oder aus dem Widerstand gegen Leiden kann aufgehen, was Leiden ist — mehr als in einer praxisfernen Theorie über das Leiden. Das Tun der Wahrheit ist ein Weg, um in das Licht der Wahrheit zu gelangen. So ist es auch und vor allem im Bereich des Glaubens. Nur wer Gott liebt, erkennt Gott.” (Heinrich Fries)
Die Bedeutung der Orthopraxie ergibt sich auch daraus, daß der Glaube nicht nur eine private Angelegenheit zwischen Gott und dem einzelnen Menschen ist, sondern auch die Öffentlichkeit betrifft und eine politische Dimension hat. ,JDas Bestehen ungerechter, repressiver Verhältnisse und Zustände ist ein Widerspruch zum Glauben; sie müssen nicht nur als solche erkannt, ihnen muß auch widersprochen, sie müssen bekämpft werden” (Heinrich Fries).
Orthodoxie und Orthopraxie sollen nicht zu falschen Alternativen gemacht werden. Christlicher Glaube ist daseinserhellend und verändert das Dasein.
Achter Teit einer am Buch „Fundamentaltheologie” von Heinrich Fries (Styria 1985) orientierten Serie.
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