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Ein Moloch namens Verwaltung

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„Je größer der Anteil der Staatsbediensteten wird”, meinte Ökonomieprofessor Erich Streißler vor einiger Zeit, „desto mehr wird jede Regierung, die wiedergewählt werden will, zur Gefangenen der eigenen Bediensteten … Eine Demokratie mit einem bedeutenden Anteil an Staatsbediensteten kann so zur Ausbeutung der Nicht-Staatsangestellten dutth die Staaatsahgestellten entarten.”

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„Je größer der Anteil der Staatsbediensteten wird”, meinte Ökonomieprofessor Erich Streißler vor einiger Zeit, „desto mehr wird jede Regierung, die wiedergewählt werden will, zur Gefangenen der eigenen Bediensteten … Eine Demokratie mit einem bedeutenden Anteil an Staatsbediensteten kann so zur Ausbeutung der Nicht-Staatsangestellten dutth die Staaatsahgestellten entarten.”

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In Österreich wird der Anteil der Staatsangestellten an der Gesamtfoe- schäftiigtenzahl tatsächlich immer größer; immer größer werden auch der Personalstand des Bundes (Hoheitsverwaltung und Bundesbetriebe) und der Anteil der Personalausgaben am Bundesbudget. 1954 beschäftigte der Bund beispielsweise 264.225 Beamte, 1960 waren es bereits 295.892 Beamte, 1965 317.200 Beamte, 1970 beschäftigte der Bund insgesamt 323.004 Personen und Ende 1973 rund 330.000 Personen. In den Jahren seit Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Bundesbeamtenstand nur in einer Legislaturperiode ein wenig reduziert: das war in der Reformära Klaus zwischen 1966 und 1970. In den Zwischenkrieigsjahren wurde im übrigen permanente Sparpolitik beim Bundesbeamtenpersonal gemacht: zwischen 1924 und 1937 wurde der Personalstand um 65.000 Personen auf rund 148.000 Beamte reduziert. Seit damals wurde der Bundespersonalstand mehr als verdoppelt.

Die Personalentwicklung des Bundes ist keineswegs einheitlich: so stieg der Personalstand der Hoheits- verwaltung in den letzten zwanzig Jahren ungleich stärker an als in den Bundes- und Monopolbetrieben (etwa Post und ÖBB). Im Rahmen der Hoheitsverwaltung gab es wiederum die stärksten Personalzunahmen im Unterrichts- und Wissenschaftsressort, im Außenministerium, in der Finanzverwaltung und im ‘Rechnungshof, die stärksten Abnahmen dagegen im Innenressort, im Handelsministerium und auch in der Sozialverwaltung.

Entsprechend stark stiegen in den letzten zwanzig Jahren die Budgetausgaben für Bundesbedienstete: 1954 wurde dafür ein Betrag von insgesamt 9,1 Milliarden Schilling ausgegetoen, im Bundesrechnungsabschluß 1973 lag dieser Betrag dagegen bei 51 Milliarden. Im Bundesbudget 1973 waren für die Personalausgaben fast 38 Prozent gebunden, im Budget für das kommende Jahr dürfte dieser Anteil bereits bei 40 Prozent liegen.

Interessant dürfte in diesem Zusammenhang sein, daß in den letzten zwanzig Jahren die Personalausgaben der Hoheitsverwaltung jahresdurchschnittlich (plus 10,8 Prozent) stärker stiegen als die Gesamtbudgetausgaben (10,1 Prozent). Eina ähnliche Entwicklung wurde seit dem Beginn des sozial-liberalen Regie- rens auch in Deutschland konstatiert. Der bekannte bundesdeutsche Finanzwissenschaftler Hansmeyer knüpft daran die Frage, „ob sich das System Staat nicht in erster Linie zu einer Anstalt der Einkommensmaximierung der in ihm Tätigen entwik- kelt”.

Dies ist der Hintergrund, vor dem Bundeskanzler Kreisky in den letzten Tagen mehrmals Sparappelle an die Adresse der Verwaltung und seiner Regierungskollegen gerichtet hat. Dieser Hintergrund wäre freilich unvollständig, wenn man nicht erwähnte, daß es sich bei der Regierung Kreisky um die erste Bundesregierung im Nachkriegsösterreich handelt, die von einem Beamten der

Hoheitsverwaltung geführt wird und daß die expansive Personalpolitik in den letzten vier Jahren viel Mitschuld an der dramatischen Personalstands- und Ausgabenentwicklung auf sich geladen hat Die Regierung hat zwei neue Ministerien (Umweltschutz- und Wissensthafta- ministerium) geschaffen- und allein den Personalstand in der Hoheitsverwaltung von rund 182.000 (1970) auf etwa 195.000 (1974) hochgetrieben. Schließlich aber hat die Regierung Kreisky auch in den eigenen Reihen eine erweiternde Personalpolitik betrieben: nie zuvor in den letzten 29 Jahren wurden von österreichischen Regierungen mehr Minister und Staatssekretäre beschäftigt als anno 1974. Daß einer davon, Lausecker, die Bundespersonalagenden wahrnimmt, macht die Sache nicht besser.

Noch als Oppositionsführer glaubte Kreisky, recht genau zu wissen, wie die Verwaltungs- und Budgetausgaben gebremst werden könnten. Damals schlug er vor, bei den Bundes- theatem einzusparen (heute ist der staatliche Zuschuß doppelt so hoch wie vor vier Jahren), damals wollte er jedwede Regierungspropaganda aus Steuermitteln verbieten (haute wird dafür bedeutend mehr ausgegeben als vor vier Jahren), damals wollte er bei den sogenannten Repräsentationsausgaben und Auslandsbesuchen von Regierungsmitgliedern sparen und wenige Wochen nach Amtsantritt als Kanzler einer Minderheitsregierung schlug er vor, Regierungsmitglieder und höhere Staatsbeamte sollten statt Dienstautos Taxis verwenden. Niemand hätte die Bundesregierung und Bundeskanzler Kreisky daran hindern können, diese Vorsätze auch in die Tat umzusetzen.

Wahrscheinlich dürfte es unter allen Aufgaben einer Bundesregierung keinen Bereich geben, in dem Illusion und Realität, Absichtserklärungen und bittere Tatsachen weiter ausemanderklaffen. Fatalerweise fällt dieser Bereich vor allem in die Kompetenz des Bundeskanzlers.

Bleibt die Hoffnung, daß Bundeskanzler Kreisky seinen allerneuesten Sparsamkeitsappell ernster nehmen wird als die vergangenen. Unabhängig von der Qualität der sogenannten ORF-Reform steht freilich heute schon beispielsweise fest, daß sie enorme Kosten provozieren wird: allein die Abfindungen für die verjagten ORF-Bosse Bacher, Lenhardt, Härtner etc. etc., dürften zumindest 40 Millionen Schilling kosten.

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