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Die Inflation der Schreibtische

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Die monströsen Budgetdefizite können bloß durch massive Reduktionen bei gewichtigen Ausgabenposten auf ein einigermaßen erträgliches Maß zurückgeschraubt werden. Ein solcher „dicker Brocken“ ist etwa der Personaletat, auf den bereits ein Drittel der Gesamteinnahmen des Bundes entfallen.

Auf die Schreibtischexplosion angesprochen, haben die Vertreter der Regierungspartei die stereotype Antwort, es werde ohnehin eingespart, wo immer es möglich sei, der Zuwachs an Personal entfalle einzig

und allein auf die von der Bevölkerung geforderte Aufstockung bei Polizei, Gendarmerie und Lehrern. Dies trifft freilich nicht einmal auf die letzten Jahre zu und schon gar nicht auf die enorme Dienstpostenexpansion bis 1976.

Während nämlich unter der Regierung Klaus die Zahl der Dienstposten von 321.800 (1966) auf 323.382 (1970) gestiegen ist, war bis 1976 ein Hinaufschnellen der Dienstposten auf 349.866 zu verzeichnen. Einer Zunahme um 1582 Dienstposten steht also eine solche um 26.484 gegenüber!.......

Diese enorme Expansion läßt sich nicht allein mit einer Dienstposten-

Vermehrung in den Schwerpunktbereichen erklären. Statt aber die hypertrophe Bürokratie einer Schlankheitskur zu unterziehen, kam es zu einer weiteren lediglich etwas gebremsten Expansion. Dazu kommt noch, daß auch die Uberstundenzahlungen enorm gestiegen sind und bereits bei fünf Milliarden Schilling her gen (Personalkosten des Bundes insgesamt: rund 70 Milliarden).

Allein die Eliminierung der Überstundenzahlungen würde ausreichen, um den prognostizierten Steuerausfall infolge der Steuerkor-

rektur per 1. Jänner 1979 zu kompensieren!

Damit sei keineswegs behauptet, daß die Uberstunden nicht „echt“ seien und kurzerhand gestrichen werden könnten. Wenn sich auch ein gewisses Quantum von „Gewohn- • heitsrechten“ in diese Ausgabenposition eingeschlichen haben mag, sind in vielen Sektoren die Uberstunden doch durch einen erhöhten Arbeits-

aufwand verursacht. Die Hauptursache ist darin zu suchen, daß durch die „Massenproduktion“ immer komplizierterer Gesetze der Arbeitsanfall überflüssigerweise vermehrt wird.

Daß die Verwaltung in Österreich überdimensioniert ist und wir international zu den Rekordhaltern in der Bürokratisierung gehören, beweist ein Vergleich mit der - auch bereits außerordentlich verbürokratisierten - Bundesrepublik Deutschland. Während Österreich für seine 773.000 öffentlich Bediensteten bei Bund und Gebietskörperschaften nicht weniger als 14 Prozent des Bruttona-tionalprodukts aufwendet, kommt die Bundesrepublik immerhin mit elf Prozent aus.

Eine Reduktion des Ausgabenanteils auf das deutsche Niveau würde eine Einsparung von nicht weniger als 20 Milliarden Schilling mit sich bringen, womit bereits nahezu die Hälfte des Budgetdefizits beseitigt werden könnte. Wir sehen also, daß das Budget keineswegs nur durch problematische und nur minimale Einsparung bringende Maßnahmen wie etwa die Reduktion der Sparförderung saniert werden könnte.

Der Appell zur Verwaltungsrationalisierung richtet sich nicht lediglich an den Bund, sondern selbstredend auch an die Länder und Gemeinden - gleichgültig, ob sie „schwarz“ oder „rot“ dominiert sind.

Wenn aber der Bund nicht mit gutem Beispiel vorangeht, wenn nicht durch vertikale und horizontale Koordination Doppel- und Mehrgleisigkeiten vermieden werden, kann aber von den Gebietskörperschaften bloß wenig erwartet werden.

Die Beamtenschaft selbst würde gut beraten sein, würde sie von sich aus energische Initiativen für wirksame Rationalisierungsmaßnahmen setzen. Vergessen wir nicht, daß sich die Verärgerung der Bevölkerung über die Verwaltung - in vielen Fällen zu Unrecht - gegen die Beamten richtet. Es würde an ihnen hegen, aufzuzeigen, daß die Schuld für die Schreibtischexplosion in erster Linie nicht im Personellen, sondern im Organisatorischen liegt.

Man sollte aber-auch nicht davor zurückschrecken, einmal die Prag-mätisierung neu zu überdenken. Natürlich sollen erworbene Rechte nicht angetastet werden, aber für Neueinstellungen könnten durchaus neue Direktiven ausgearbeitet werden. Zweifellos ist in der Hoheitsverwaltung die Pragmatisierung als Schutz gegen politische Willkürakte - heute mehr denn je - notwendig, aber sie könnte auf die wirklich mit Verwaltungsagenden beschäftigten Personen beschränkt werden. Für die Wirtschaftsbetriebe der öffentlichen Hand besteht hingegen kein Grund, dort nicht sämtliche Bedienstete - wie auch bei allen vergleichbaren Unternehmen - nach dem ASVG einzustellen.

Es würde also genügen organisatorische und dienstrechtliche Möglichkeiten für Einsparungen in der Verwaltung geben, die zweifellos auch ohne soziale Härten durchgeführt werden könnten und gleichzeitig auch das Image der Beamtenschaft verbessern würden.

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