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Die Geburtenrate steigt: Bei den Schreibtischen

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Während die Geburtenrate der Menschen in Österreich konstant zurückgeht, nimmt diejenige der Schreibtische in beängstigendem Maß zu. Diese langfristig steigende Tendenz hat sich in den letzten Jahren in alarmierender Weise beschleunigt. Neben dem Schuldendienst wird der Personalaufwand zu einer immer gravierenderen Belastung für das Bundesbudget. Die Steuergelder versickern zunehmend in der Administration.

Welche Dimensionen die Büro-kratisierung Österreichs bereits angenommen hat, zeigt die Tatsache, daß in diesem Jahr etwa ein Drittel

aller Budgeteinnahmen für den Personalaufwand eingesetzt werden müssen. Im Durchschnitt zahlt jeder arbeitende Österreicher einen Betrag von 23.000 Schilling allein für die Bundesbediönsteten, wozu noch der Aufwand für die Bürokratien der Gebietskörperschaften und der parastaatlichen Institutionen -Sozialversicherung usw. - kommen.

Wie sehr das Tempo der Schreibtischvermehrung in den letzten Jahren zugenommen hat, geht daraus hervor, daß allein seit 1973 die Ausgaben des Bundes für Personal um 22 Milliarden auf 75 Milliarden angestiegen sind, dies sind nahezu 42 Prozent. Sicherlich ist ein nicht geringer Teil dieser Summe auf Gehaltserhöhungen zurückzuführen, welche den Beamten - wie allen anderen Berufsgruppen in Österreich - gewährt wurden. Es findet darin aber auch eine kräftige Personalvermehrung ihren Ausdruck.

Nun existieren in Österreich zweifellos wichtige öffentliche Sektoren, die personalmäßig unterdotiert sind - beispielsweise die Exekutive. Gerade in diesen ist aber die Personalnot kaum geringer geworden, die für die innere und äußere Sicherheit notwendigen Kräfte sind nach wie vor in nicht ausreichendem Maß vorhanden. Die vor kurzem aus Personalnot erfolgte Auflassung diverser Grenzwachposten an der tschechoslowakischen Grenze, welche die betroffene Bevölkerung angesichts der häufigen Übergriffe der tschechischen Grenzer alarmiert hat, ist ein drastisches Beispiel dafür, daß die massive Personalvermehrung dort am wenigsten stattfindet, wo ein konkreter Bedarf vorhanden sein würde.

Weil die Beamten alle faul sind, müssen immer mehr eingestellt werden, lautet die populäre Argumentation. In Wirklichkeit ist das

Gros der Beamten sicherlich genau so fleißig wie das Gros der Gesamt' bevölkerung. Nicht sie selbst sind ineffektiv, sondern das System, der bürokratische Apparat.

Nun ist von der Verwaltungsreform zwar konstant die Rede, aber konkrete Erfolge werden bestenfalls in bescheidenen Teilbereichen erzielt, während ah anderen Stellen der Beamtenkörper weiterhin kräftig Fett ansetzt. Die Forderung nach einer Verwaltungsreform ist im übrigen nicht erst eine Erfindung von heute. Bereits 1904 hat der damalige Ministerpräsident Körber einen Versuch in diese Richtung unternommen.

Erfolge waren - wenn überhaupt -lediglich temporär zu registrieren. Zuletzt hatte die Regierung Klaus einige Erfolge zu verzeichnen, die allerdings in der Ära Kreisky sehr schnell ins Gegenteil verkehrt wurden.

Jedenfalls müssen wir uns von der Illusion freimachen, daß irgendwelche Einsparungskommissäre in den Ministerien oder der Einsatz der modernen Bürotechnik - Computer - relevante Erfolge erzielen könnten. Die Sprengsätze für die bürokratische Explosion werden nicht innerhalb der Administration, sondern außerhalb derselben gezündet - in der Regierung und im Parlament.

Wenn wir immer mehr und immer kompliziertere Gesetze bekommen, wenn diese noch dazu in immer rascherer Folge novelliert werden - was konstant zu enorm zeit- und personalaufwendigen Umstellungen in der Administration führt -, und wenn immer mehr Lebensbereiche an die staatliche Kandare genommen werden, wenn also die öffentliche Hand immer neue Funktionen ar-rogiert, dann müssen selbst bei bienenfleißigen und mit äußerster Effektivität arbeitenden Beamten die Verwaltungsapparate explosionsartig anwachsen.

Die überhand nehmende Bürokratie ist eben die Kehrseite des totalen Planungs- und Versorgungsstaats. Die Umverteilung, wie sie heutzutage mit - aus sozialer Perspektive - häufig sehr dubiosen Resultaten vorgenommen wird, hat eben zur Folge, daß immer mehr Geld in den öffentlichen Apparaten versickert und immer weniger die angeblich von ihr Begünstigten erreicht.

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