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Ein Stück weiter

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Das haben wir seit einem halben Jahrhundert nicht mehr erlebt: das messerscharf taktierende Zugehen auf einen großen Krieg. Seit über Fernsehen die ganze Menschheit zur Zeugin dieses Geschehens werden kann, wird ein solches Vorgehen immer schwieriger -und problematischer.

Vieles spricht zunächst dafür, Saddam Hussein mit Gewalt zur Räson zu bringen: Er war klar der Aggressor, hat Kuweit seines Ölreichtums wegen (und nicht, um die Palästinenserfrage aufs UN-Tapet zu bringen) besetzt, alle einstimmigen UN-Resolutionen mißachtet, Israel und andere, auch arabische Staaten wüst bedroht und im achtjährigen Krieg gegen Iran gezeigt, daß er gewissenlos Hunderttausende Menschenleben opfert.

Wird der Räuber nicht zur Preisgabe seiner Beute gezwungen, verlieren nicht nur arabische Verbündete, sondern auch andere Allianzpartner ihr Vertrauen zur Verläßlichkeit der USA. Andere Aggressoren werden ermutigt, er selbst wird noch unberechenbarer, die UNO wieder zu einem Papiertiger reduziert.

Und doch: Niemand kann über die scheinbar zwingende Logik dieser Argumentation sehr glücklich sein. Geht es nicht doch mehr um Öl als um Gerechtigkeit? Hat nicht auch Israel schon Dutzende UN-Resolutionen mißachtet? Stünden die Opfer des Krieges nicht in einem schrecklichen Mißverhältnis zum Anlaßfall? Wie lange noch müssen Menschen und Völker für Prestigeziele bluten? Würde im Ernstfall die Volksstimmung in vielen Ländern den Konflikt nicht doch als Krieg Weißer gegen Farbige, Erster gegen Dritte Welt empfinden? Könnte Saddam neben der politischen nicht auch eine ökologische Katastrophe auslösen?

Quälende Fragen, die uns die mit Recht vom Papst zitierte Unumkehrbarkeit eines Kriegsbeschlusses bewußt machen. Daher wird mit gutem Grund und doch wohl nicht nur zum Schein bis zur letzten Stunde um eine friedliche Lösung gerungen. Alle Politiker, die Ja zum Krieg sagen, wissen, daß dessen Konsequenzen per Fernsehen in alle Häuser der Erde geliefert werden. Das macht Krieg heutzutage für Politiker doppelt riskant.

Und genau das ist die große Hoffnung. Staatskanzleien können Kriegserklärungen nicht mehr hinter Polstertüren verfügen und ihre Folgen mit pathetischen Phrasen zudek-ken. Was wir erleben, ist das Ringen der Menschheit um ein demokratisches Kriegs- und Krisenmanagement nach dem Ende des Kalten Krieges.

Wohl uns allen, wenn eine unblutige Lösung schon diesmal gelingt. Aber selbst die Alternative müßte uns bei der Zähmung der Bestie Aggression ein Stück weiterbringen.

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