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Ein unaulgeffares Priictip: Sufsidiantaf

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Subsidiarität bedeutet, daß soziale Gebilde wie etwa der Staat keine Aufgaben an sich ziehen sollen, die kleinere Einheiten wie die Gemeinden oder die Familien nicht genauso gut oder gar besser leisten können. Subsidiarität bedeutet aber auch, daß die übergeordneten sozialen Gebilde, Institutionen, Autoritäten etc. kleinere Einheiten dazu befähigen, das ihnen Zukommende zu tun.

Dieser Grundsatz hat mittlerweile Eingang in das Gedankengut aller großen politischen Gruppierungen Österreichs gefunden. Die Realisierung ist aber oft schwierig. Denn mit zunehmender Arbeitsteilung im Laufe der geschichtlichen Entwicklung wurden immer mehr Aufgaben etwa der Familie nach außen, oder, wenn man so will, nach oben verlagert. Das reicht von der Ernährung - ursprünglich durch den eigenen Hof, heute in der Regel durch Lohnarbeit - bis zur Bildung von Kindern und Erwachsenen durch Kindergarten, Schule, Universität usw.

Was also in welcher Weise subsidiär zu behandeln wäre, ist von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen jeder Zeit abhängig. Trotzdem bleibt die subsidiäre Gestaltung gesellschaftlicher Zusammenhänge und Strukturen eine ständige und wichtige Aufgabe, werden dadurch doch Verantwortungsbewußtsein, Kreativität und die Entfaltung der Persönlichkeit gefordert.

Als Gesundheits- und Sozialreferent der Tiroler Landesregierung habe ich in einem Versuchssprengel die medizinische und soziale Betreuung mit großem Erfolg weg von den Krankenhäusern, Ambulatorien und anderen großen Einrichtungen hin zu mobilen Krankenpflegerinnen und Sozialarbeitern verlagert. Es ist dabei aber auch gelungen, das Engagement im eigenen Familien-

und Bekanntenkreis bemerkenswert zu verstärken. Ebenso könnte ich mir vorstellen, daß man jenen häufiger werdenden Initiativen, die versuchen, Betriebe in Selbstverwaltung zu führen, unbefangener gegenübertritt, als dies heute oft noch der Fall ist. Man sollte sich hüten, mit Ausschließlichkeitsansprüchen zu agieren: Den Stein der Weisen werden wir nicht finden, weil es ihn nicht gibt.

Subsidiarität ist für mich selbstverständlich auch in der Kirche selbst anzuwenden, auch auf ihre Entscheidungsstrukturen. Dies würde den Ausbau der konziliaren, kollegialen und synodalen Strukturen in Weiterentwicklung des Zweiten Vatikanischen Konzils bedeuten. Es ist z. B. sehr die Frage, ob wir vom kirchlichen Eurozentrismus alter oder neuer Prägung - der seine Entsprechung in der Politik hat - den für eine „eccle- sia semper reformanda“ nötigen Anstoß zur Erneuerung erwarten dürfen oder sollen. Ich habe den Eindruck, daß vieles von dem, was sich heute in den Kirchen Lateinamerikas entwickelt, dem christlichen Auftrag näher steht als die Kritik an diesen Entwicklungen, sosehr sich letztere auf Tradition und Herkommen, Autorität und Auftrag berufen mag. Subsidiarität meint auch Freiheit: die Freiheit, sich selbst zu entwickeln, die Freiheit, Fehler zu machen - im kirchlichen Bereich, im politischen Bereich und auf dem weiten Feld, wo die beiden einander überschneiden.

Dr. Herbert Salcher ist Bundesminister für Finanzen

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