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Ein Werkzeug Stalins

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Am 18. Juni 1982 jährte sich zum hundertsten Mal der Geburtstag von Georgi Dimitrow, jenes bulgarischen Kommunisten, der sich als Berufsrevolutionär osteuropäischer Prägung durch sein Lebenswerk in der Geschichte einen festen Platz sicherte.

Für uns im Westen ist Dimi-trows Name durch zwei wichtige Ereignisse bekannt: durch seinen mutigen Auftritt gegen nazistische Anschuldigungen im berüchtigt-berühmten Leipziger Reichtagsbrandprozeß 1933 und durch seine Ernennung zum Generalsekretär der Kommunistischen Internationale (Komintern) im Jahre 1935; jenem „Generalstab” der Proletarischen Revolution, der von der sowjetischen Hauptstadt aus die Tätigkeit der ausländischen kommunistischen Parteien im Interesse der Sowjets bestimmte beziehungsweise koordinierte.

Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, sollte er nach dem Wunsch der Mutter Geistlicher werden. Doch er hielt es nur zwei Jahre in der „Amerikanischen Missionarsschule” aus: Dann nahm erxfür immer Abschied von der Welt der Soutanen. Er lernte den Beruf des Schriftsetzers.

Mit kaum 20 Jahren - noch vor dem Ersten Weltkrieg - trat er in die Sozialdemokratische Partei Bulgariens ein. Als sich die Partei durch innere Streitigkeiten spaltete, gehörte Dimitrow zu der radikalen Fraktion. Mit 22 Jahren zog der Drucker in das Zentralkomitee der Partei ein. Ein Jahr danach war er bereits Abgeordneter des bulgarischen Parlaments.

Trotz folgender Wahlniederlagen seiner Partei behielt Dimitrow diesen Sitz bis 1923 und kämpfte für seine Ideen vorerst unter der Fahne der II. Internationale und später — als nach dem Sieg Lenins Partei in Rußland im Mai 1919 in Bulgarien die einheimische Kommunistische Partei (BKP) gegründet wurde - als einer der führenden Persönlichkeiten der neuen Partei, die sich vorbehaltlos der Moskauer Zentrale unterstellte.

Nach dem Ersten Weltkrieg begab sich Dimitrow zeitweilig nach Moskau. Nicht nur bei der Gründung der Kommunistischen Internationale (Komintern), sondern auch bei deren Schwesterorganisation, der Roten Gewerkschaftsinternationale, stand er Pate.

Im Sommer 1923, als die bulgarische Demokratie durch einen Rechtsputsch gestürzt wurde, hatte auch Dimitrow die Verantwortlichkeit dafür, daß die BKP den Machtwechsel sozusagen in wohlwollender Neutralität und vor allem völlig passiv begleitete.

Diesen Fehler büßten die bulgarischen Kommunisten schwer! Denn als im September 1923 die BKP in einem offenen Aufstand gegen die Zankow-Regierung losschlug—wurde sie von ihrem Gegner binnen weniger Tage besiegt. Etwa 5000 im Lande gebliebene

Kommunisten fielen dem folgenden weißen Terror^ zum Opfer, während sich die Führer der Partei, unter ihnen auch Dimitrow, ins Ausland retteten. Die BKP wurde in Bulgarien bis 1944 zur Illegalität verdammt.

Dimitrow erlebte schwere Zeiten in Moskau, wo er zwar in das Exekutivkomitee der Komintern optiert wurde, aber für sein politisches Mißgeschick von 1923 allerlei Kritiken ausgesetzt blieb. Im Frühjahr 1933 war er gerade in Berlin, als nach der Machtübernahme Hitlers der Reichstagsbrand passierte.

Die Nazis wollten die Kommunisten für den Anschlag verantwortlich machen. Am 9. März 1933 verhaftete man Dimitrow mit zwei anderen Bulgaren und stellte sie zusammen mit dem Deutschen Ernst Torgier vor das Leipziger Reichsgericht.

Der Prozeß endete mit einem Freispruch. Dimitrow hatte mit seiner Schlagfertigkeit und Redegewandtheit die ganze Welt beeindruckt.

In Moskau wiederum nützte man Dimitrows weltweite Popularität geschickt aus. Stalin übergab ihm den Posten des Generalsekretärs der Komintern. Dimitrow rechnete nun mit seinen Widersachern in der BKP ab: die Partei wurde „bolschewisiert”, die früheren Kritiker des Generalsekretärs verschwanden 1934/ 1935 spurlos...

Nach dem Zweiten Weltkrieg durfte Dimitrow nicht sofort in seine Heimat zurückkehren. Stalin wollte vor seinen westlichen Verbündeten den Anschein einer Sowjetisierung Osteuropas vermeiden. Erst im November 1945 traf Dimitrow in Sofia als unbestrittener Leiter der BKP ein.

Nach sowjetischem Muster räumte Dimitrow sofort mit der demokratischen Opposition radikal auf und ließ am 16. September 1946 die Volksrepublik Bulgarien ausrufen. Er übernahm sofort den Posten eines Ministerpräsidenten, nebst der Parteiführung. Freilich konnte er all dies nur durch die massive Unterstützung der Sowjetunion und der im Lande befindlichen Truppen der Roten Armee vollbringen.

Im Dezember 1947, als jegliche Opposition in Bulgarien gebrochen war, konnte Dimitrow als erster unter den Führern der osteuropäischen Länder des neuen sta-linschen Imperiums vor dem Einheitsparlament in Sofia die „sozialistische Verfassung” verabschieden. Ein Jahr später wurde das Programm zum „Aufbau des Sozialismus” verkündet.

Andere Pläne Dimitrows, die er zusammen mit Marschall Tito schmiedete und die eine sozialistische Balkanföderation betrafen, konnten jedoch nicht verwirklicht werden. Stalin duldete keinen Zusammenschluß der Balkan-Länder in einem Staatenbund, denn ein solches Gebilde hätte die sowjetische Vormachtstellung gefährden können.

Dimitrow wurde nach Moskau zitiert. Was dort geschah, ist noch heute ein Geheimnis. Tatsache ist jedenfalls, daß Georgi Dimitrow in einem Parteierholungsheim für höhere Funktionäre unweit von Moskau am 2. Juli 1949 im Alter von 67 Jahren starb.

Sein Leichnam wurde einbalsamiert und nach Sofia in eine dem Lenin-Mausoleum nachgebaute Ruhestätte überführt. Seither ruht er in einem gläsernen Sarg. Georgi Dimitrow verkörpert auch heute noch die Vaterfigur des sozialistischen Bulgariens.

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