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Ewig prolongierte Reform

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In diesen Tagen tritt die Reform des Bundesheeres still in das fünfte und sicher noch nicht letzte Jahr ein. Prognosen über die voraussichtliche Dauer der Permanenzreform wagen weder Eingeweihte noch Außenstehende zu geben. Zu kurz geschätzt haben sicher der Verteidigungsminister und sein Armeekommandant. Für Lütgendorf schien es bereits zu seinem Amtsantritt im Februar 1971 sicher, daß das Bundesheer bis Ende des Jahres 1973 seine neue Form bekommen wird.

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In diesen Tagen tritt die Reform des Bundesheeres still in das fünfte und sicher noch nicht letzte Jahr ein. Prognosen über die voraussichtliche Dauer der Permanenzreform wagen weder Eingeweihte noch Außenstehende zu geben. Zu kurz geschätzt haben sicher der Verteidigungsminister und sein Armeekommandant. Für Lütgendorf schien es bereits zu seinem Amtsantritt im Februar 1971 sicher, daß das Bundesheer bis Ende des Jahres 1973 seine neue Form bekommen wird.

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Nachdem er gezwungenermaßen diese Terminvorschau mehrmals gestreckt hat, verweigert der Minister sich heute als Prophet. Für seinen Armeekommandanten schien im Sommer 1973 die „Durststrecke“ der Reform einigermaßen überwunden. Auch seine Prognose, in einem Jahr das zu schaffen, was schon vor der Ära Lütgendorf nicht bestanden hat — ein ständig einsatzbereites Heer — muß er weiter strecken. Man fragt sich unweigerlich, wie Soldaten, die auf eine keimfreie Beurteilung der Lage geschult wurden, derartig krasse Beurteilungsfehler unterlaufen können.

Das Bundesheer macht in seiner kurzen Geschichte nicht die erste Phase einer Umstrukturierung durch. Herumreformiert ist am jüngsten Kind der Zweiten Republik bereits genug geworden. Man muß aber der Wahrheit halber festhalten, daß bei den vorangegangenen Reformvorhaben in der Amtszeit von ÖVP-Mini-stern die Konzepte für die Reform vor ihrer Verwirklichung oerei'clagen.

Gleiches kann allerdings mit bestem Gewissen von der gegenwärtigen Reform nicht behauptet werden. Es tritt immer deutlicher zu Tage, daß der Wehrdienstzeitverkürzung keine Planungsgrundlagen, außer dem Leerlaufargument, zugrunde la-

gen. Bei der im Gefolge der sechs Monate Dienstpflicht notwendig gewordenen Wehrrechtsänderung des Sommers 1971 ist klar zu erkennen, wie wenig Politiker wie Militärs imstande waren, sich aus bisher be-schrittenen Denkbahnen zu lösen. Wohl wurde das Milizprinzip auf den Schild des neuen Wehrkonzeptes gehoben, der Vorrang im Ausbau allerdings, nach dem bewährten Argument eines hohen Einsatzstandes, der Bereitschaftstruppe gegeben. Dies wohl aus dem allgemeinen Klima der europäischen Entspannungsbemühungen heraus. Was in der Zwischenzeit an konzeptiver Arbeit geleistet wurde, droht im Zeichen der fälschen Weichenstellung auf unfruchtbarem Boden zu verkümmern.

General Spannocchi ist als dem mit der Aufstellung der Bereitschaftstruppe anfänglich Betrauten noch der geringste Vorwurf zu machen. Geschlafen haben vor allem jene Militärs, die das Prinzip der territorialen Verteidigung gerne auf ihrer Arguimentätioneliste präsentierten. Mit einer Ausnahme, General Bach, der dafür bereit war, sogar Konsequenzen zu ziehen. Er tritt noch im Ruhestand als nimmermüder Rufer für eine Schwergewichtsverlagerung auf.

Neben diesem oberflächlichen Rin-

gen zwischen Bereitschaftstruppe und milizartiger Landwehr um das Primat gerät eine Problematik in den Hintergrund, die auf Dauer den Bestrebungen um eine Konsolidierung des Heeres einen nicht gut zu machenden Schaden zufügen könnte. Die Wehrrechtskonzeption der Min-

derheitsregierung Kreisky, getragen von der Zustimmung der Freiheitlichen, basiert auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Freiwillig .Längerdienende sollen der Bereitschaftstruppe wie auch der Landwehr als Korset't-

stangen dienen. Während man den Längerdienenden in der Bereitschaftstruppe als Vorstufe zum echten Zeitsoldaten,- von dem eine moderne Armee lebt, mit finanziellem und sonstigem Anreiz ködert, gerät derjenige, der im Milizverband ein Mehr an Dienstzeit, gestaffelt in

Wiederholungsübungen, auf sich nimmt, in die Rolle eines Soldaten dritter Klasse. Bisher sind sowohl optische als auch finanzielle Anreize ausgeblieben.

Die Überlegungen zur absoluten Ausklammerung eines gesetzlichen Zwanges stützen sich auf Befragungsergebnisse, die sich in der Praxis nicht bewahrheitet haben. Wohl scheint es unter der handfesten Regie des Armeekommandanten gelungen zu sein, das zur Werbung von Freiwilligen nötige Image des Heeres zu bessern. Böse Zungen sprechen bereits davon, der General sei mehr Presse- denn Armeekommandant. Eine Ansicht, die eigentlich nur den mit dieser Aufgabe bisher Betrauten zum Schaden gereichen müßte. Auch ist es gelungen, in einigen Bereichen Teilerfolge zu erzielen. Am augenscheinlichsten bei der Nachwuchsbildung der Offiziere. Hier haben sowohl ein verbesserter finanzieller Anreiz, das Abschneiden vieler alter Zöpfe und die allgemeine Klimaverbesserung Früchte getragen. Bei der Unteroffiziersseite treten die Versäumnisse aber noch klar hervor. Initiativen Kommandanten ist es zu verdanken, daß für das übrige Heer ein Hoffnungsstrahl sichtbar wird.

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