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Freiheit ohne Ende ?
Freiheit und ihre Beschränkungen in der modernen Welt standen im Mittelpunkt einer Veranstaltungsreihe des Österreichischen Cartellverban- des in Laxenburg.
Freiheit und ihre Beschränkungen in der modernen Welt standen im Mittelpunkt einer Veranstaltungsreihe des Österreichischen Cartellverban- des in Laxenburg.
„Welch ein armseliges Leben führt der, der sich nie gegen Schranken der Freiheit aufgelehnt hat! Wie armselig lebt ein Volk dahin, wenn keine Menschen mit Phantasie und Ideen versuchen, jene Grenzpfähle abzutragen, die andere schon für sich hingenommen haben!“
Mit diesem Appell an den Mut der Teilnehmer eröffnete Bundespräsident Rudolf Kirchschläger die Dialogkonferenz über „Die rationierte Freiheit — Der
Mensch im Netz von Abhängigkeiten“ vom 8. bis 11. Mai in Laxenburg bei Wien, veranstaltet vom österreichischen Cartellver- band (ÖCV).-,
Ein Jahr lang wurde diese Konferenz in zahlreichen Arbeitskreisen innerhalb des CV vorbereitet. Schwerpunktmäßig suchte, fand und diskutierte man versteckte und offene Freiheitsbeschränkungen des einzelnen im komplexen Wohlfahrts- und Industriestaat westlicher Prägung, der Zuständigkeit und Problemlösungskapazität für (fast) alle Lebensbereiche reklamiert.
Wohl waren sich die Teilnehmer der Dialogkonferenz darin einig, daß der Begriff „Freiheit“ zu allen Zeiten die Menschen fasziniert. Es gab und gibt kaum eine Gesellschaft, die Freiheit nicht als höchstes gesellschaftliches Gut preist. Aber schon an der Beurteilung, wie frei oder unfrei der moderne Mensch im Vergleich zu früheren Geschichtsepochen ist, schieden sich die Geister.
Während die einen, vor allem junge Diskutanten, die Ansicht vertraten, daß die Zwänge des modernen Lebens die scheinbar größer gewordenen Freiheiten relativierten, beklagten die anderen mangelndes Selbstbewußtsein der Bürger, um die großen Freiheitsräume unserer Zeit mit Leben zu füllen.
Tatsächlich scheinen die Bürger an ihrer — wenn auch nicht empfundenen — schrittweisen Entmündigung durch den Staat und gesellschaftliche Organisationen nicht ganz unschuldig zu sein.
Eine aktuelle Befragung von erwachsenen Österreichern zum Thema „Bürger-Freiheit-Staat“ (durchgeführt von Erich Brunmayr im Auftrag des ÖCV) belegt dies.
Aus den Ergebnissen der Repräsentativerhebung schließt Brunmayr, daß „das Engagement der Bürger für die Ideen eines freiheitlichen Staatssystems und für manche verfassungsmäßig garantierten Grundrechte“ eher begrenzt ist. Lediglich das, was zum engen Bereich der Privat sphäre zählt (Familie, Wohnung, Urlaub, Ersparnisse), ist dem Österreicher heilig.
Andererseits: Wenn die Österreicher vor der Situation stünden, daß neue Gesetze bestehende bürgerliche Freiheiten einschränken, wären sie kaum bereit, dagegen auch aufzutreten. Brunmayr: „Viele Begrenzungen der Freiheit würden gar nicht als solche erkannt.“
So fanden zum Beispiel 85 Prozent der Befragten, daß „arbeitsscheue Personen“ vom Staat zur Arbeit verpflichtet werden sollten. 62 Prozent hätten nichts dagegen, wenn für Jugendliche verpflichtende staatliche Freizeitprogramme eingeführt würden. 69 Prozent akzeptierten auch, daß bei bestimmten Waren nur öster-
reichische Produkte gekauft werden dürfen.
Die mangelnde Sensibilität des modernen Menschen für den Wert der Freiheit und den täglichen Kampf um eben diese, findet ihre Entsprechung in dem Umstand, daß der Staat und andere gesellschaftliche Großorganisationen in die vom Bürger kampflos geräumten Stellungen nachgerückt sind: Von der Kindererziehung über die Arbeitsorganisation bis hin zur Altersversorgung wurde alles aus dem unmittelbaren Verantwortungsbereich des einzelnen in die direkte Verantwortung der Gesellschaft und ihrer Funktionäre übertragen.
Einen zweiten Grund dafür, daß ‘trotz theoretischer Ausweitung der Wahlmöglichkeiten des einzelnen seine Handlungsspielräume letztlich kleiner geworden sind, nennt Anton Kofler in einem Arbeitskreisbericht: „Die Kluft zwischen den Anforderungen, die eine komplexe pluralistische Gesellschaft dem einzelnen stellt, und seinen individuellen Möglichkeiten, wird immer größer. Die Möglichkeiten, die ein Mensch im Leben hätte, können immer häufiger nicht genützt werden, was zu Enttäuschungen und Versagergefühlen führt.“
Die Arbeitskreise und die Konferenz in Laxenburg beschränken sich aber nicht nur auf die Erstellung eines Fehler katalogs. Gleichzeitig mit der Analyse der Freiheitsbeschränkungen sollten Wege erdacht und Vorschläge erarbeitet werden, die dieEigenver- antwortlichkeit des Bürgers stärken und seine Fremdbestimmung in wesentlichen Lebensbereichen zurückdrängen helfen.
Grundsätzlich will man gegen die wachsende Zentralisierung in allen gesellschaftlichen Institutionen ankämpfen. Das gilt für den Staat genauso wie für die Parteien, Kammern, Interessenverbände, die wirtschaftliche Organisation, aber auch für die öffentliche Meinung, die Medien.
Der „streitbare Bürger“, den die Teilnehmer der Dialogkonferenz als Gegenkraft zum allmächtigen Staat und seinen Organisationen wünschen, scheint sich aber vorderhand ausschließlich in kleinen, gesellschaftspolitisch engagierten Zirkeln zu bewegen.
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