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Frontstellung gegen alle Mammutprojekte
Vor 20 Jahren wäre es einem Architekten noch leicht gefallen, die Frage, wie eine,familiengerechte Wohnung“ ausschauen soll, zu beantworten: mindestens 17 Quadratmeter Fläche pro Kopf, bestimmte bauphysikalische Mindestqualifikationen an Wärme- und Schalldämmung, genügend Licht und Luft, de-zidierte Vorstellungen bezüglich eines sinnvollen Grundrisses. Vor 10 Jahren hätten viele Planer die Frage mit technologischen Zukunftsvisionen, wie Kunststoffkapseln, pneumatischen Zellen innerhalb riesiger ,^/lega-strukturen“ usw., beantwortet. Sie wurden -zum Glück? - kaum realisiert. Heute fallen Antworten schwer: Für welche Familie bauen? Welchen Bedürfnissen gerecht? Auf beid-be-rufstätige Eltern mit 1-2 Kindern zugeschnitten? Oder: Geht „Familie“ weiter? Wie „groß“ werden die Kinder noch zu Hause? Was tut wer daheim? Welche Ansprüche sind legal und erfüllbar? Was darf „Wohnen“ - wen - kosten?
Vor 20 Jahren wäre es einem Architekten noch leicht gefallen, die Frage, wie eine,familiengerechte Wohnung“ ausschauen soll, zu beantworten: mindestens 17 Quadratmeter Fläche pro Kopf, bestimmte bauphysikalische Mindestqualifikationen an Wärme- und Schalldämmung, genügend Licht und Luft, de-zidierte Vorstellungen bezüglich eines sinnvollen Grundrisses. Vor 10 Jahren hätten viele Planer die Frage mit technologischen Zukunftsvisionen, wie Kunststoffkapseln, pneumatischen Zellen innerhalb riesiger ,^/lega-strukturen“ usw., beantwortet. Sie wurden -zum Glück? - kaum realisiert. Heute fallen Antworten schwer: Für welche Familie bauen? Welchen Bedürfnissen gerecht? Auf beid-be-rufstätige Eltern mit 1-2 Kindern zugeschnitten? Oder: Geht „Familie“ weiter? Wie „groß“ werden die Kinder noch zu Hause? Was tut wer daheim? Welche Ansprüche sind legal und erfüllbar? Was darf „Wohnen“ - wen - kosten?
Ausgangspunkt kann eine Auseinandersetzung über die anzustrebenden Formen des menschlichen Zusammenlebens sein, da es einen generellen (stillen) Konsens darüber nicht mehr gibt Die Vorstellungen reichen vom autonomen, hedonistischen (TV-gesteuerten) Ein-Personen-Atom, über die durch Isolierung pathologisierte Kleinfamilie, bis zu den verschiedensten „gemeinschaftlichen Wohnformen“, ja bis zur faschistoid gleichgeschalteten Kommune.
Sowohl der Begriff „Familie“, als auch der Begriff „Wohnen“ hat sich aufgesplittert. Gruppen- und altersspezifische Wohnprobleme treten in den Vordergrund, z. B. das der Jugendlichen, die aus der Kleinfamilie herausfallen, das der Alten, der diskriminierten und behinderten Randgruppen, auch derer, die zwar in ihrer „Stadtwohung“ hausen, jedoch in ihrem Zweitwohnsitz daheim sind.
Vom Ein-Personen-Atom bis zur Kommune
Es ist auch sinnlos, über „familiengerechtes Wohnen“ zu reden, wenn in Frage steht, was Familie der Gesellschaft wert ist. Wohnen kann nur verstanden werden als ein Vorgang in einem sozial-räumlichen Feld, das von ökonomischen, gesellschaftspolitischen, ideologischen Gegebenheiten und Wertvorstellungen bestimmt
wird. Nur, indem man die Familie als einen Zellkern aus einander zunächst stehenden Personen begreift und ihr bestimmte, wichtigste Funktionen im Netz der gesellschaftlichen Zusammenhänge zuerkennt, lassen sich bauliche Forderungen ableiten: Die Wohnstätte muß den Familienmitgliedern nach innen Entfaltung und Zusammenhang ermöglichen, nach außen soziale Kontakte und Aktivitäten der verschiedensten Art.
Damit ergibt sich für familiengerechtes Wohnen besonders wichtig die Frage nach dem Ort, wo man wohnen kann, und in welchem Wohnumfeld es geschieht: Die Forderung nach Wohnstandorten, die keinen Teil der Familie vom Leben der Stadt, des Ortes aussperren, dislozieren, • isolieren. Nach einem Ambiente, in dem nicht alsbald •der Drang nach Davonlaufen entsteht, das die Menschen nicht bedrückt
Der Wohnstandort darf der Familie die verfügbaren Stunden des Tages nicht durch endlose Berufs-, Schul-und Einkaufswege, durch Dauerläufe zwischen Konsum-, Kultur-, Erho-lungs-, Pfarr- und weiß-Gott-noch-welchen Zentren stehlen. Familiengerechtes Wohnen beinhaltet aber zum Beispiel auch die Forderung nach Gebäuden, die wir „in Besitz nehmen“ können, die uns nicht erschrecken und anöden, in denen das Stiegenhaus einen einlädt ein paar Worte mit dem Nachbarn zu plaudern, statt sich nur stumm aneinander vorbei zu zwängen.
Weiters muß man anpassungsfähige Gebäudestrukturen fordern, in denen die Wohnbedürfnisse verschiedener
Menschen und auch verschiedener Generationen integriert, oder zumindest nebeneinander erfüllt werden können: Etwa generationsübergrei-fende Wohnverbände, bestehend aus einer Familie in den mittleren Jahren mit kleinen Kindern, einer Kleinwohnung für die Großeltern, einer Gar-conniere für eine alleinstehende Tante oder einen Studenten.
Allerdings ergibt sich aus all dem wohl die Forderung nach kleineren Planungs- und Realisierungsmaßstäben und eine Frontstellung gegen alle Mammutprojekte, die nur in der 1000-Einheiten-Kategorie agieren.
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