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Frustrierte Polen
Die chronische polnische Krankheit heißt Geldnot. Auf der Straße hört man nicht selten solche Kommentare: „Wir persönlich haben doch keine Schulden gemacht. Ich bin nicht der, der sich 46 Milliarden Dollar ausgeliehen hat. Das haben ,sie' gemacht." Gemeint sind natürlich die Kommunisten.
Die 46 Milliarden Staatsschuld -gegenüber dem Pariser und Londoner Klub als den größten polnischen Gläubigervereinigungen -lasten enorm auf der Wirtschaft des reformierten Staates.
Dank der von Präsident Lech Walesa und Premier Bielecki sowie dem alt-neuen Finanzminister Leszek Balcerowicz unternommenen Versuche beginnen jetzt die Gremien der internationalen Finanzwelt ernstlich über eine Schuldentilgung in der Höhe von etwa 80 Prozent nachzudenken. Ein Beispiel in diese Richtung hat US-Präsident George Bush gegeben. Er hat als erster Chef eines Gläubigerstaates deklariert, die von Polen aufgenommen Anleihen zu tilgen. Die Polen geben sich der Hoffnung hin, daß eine solche Möglichkeit auch vom größten Gläubiger Polens, Deutschland, wohlwollend untersucht werden könnte.
Eine drastische Verminderung des Schuldenbergs - so viele Polen - könnte dem verarmten Land an
der Weichsel eine Bekämpfung der „Kinderkrankheiten" seiner jungen freien Marktwirtschaft ermöglichen und helfen, die Reformen des Bai-cerowicz-Planes - bei Zustimmung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank - zu beschleunigen. Experten sind der Meinung, daß andere als die von der liberalen Gruppe um Premier Krzysztof Bielecki vorgeschlagene Lösungen einen Zusammenbruch aller Neuerungen bedeuten könnte. Wie hat doch die „Washington Post" unlängst über Polen geschrieben? „Wenn die polnische Wirtschaft gut geht, dann könnte sie andere Länder Osteuropas mitreißen. Mißlingt sie, würde das Beispiel ansteckend wirken."
Diese, gewissermaßen auf den ökonomischen Höhen herrschende Situation wirkt sich leider auch negativ auf die staatlichen Betriebe aus. Spezielle Steuern, die ein übermäßiges Anwachsen der Gehälter und damit auch die Inflation einschränken sollen, verursachen ein Anwachsen der Frustration beim Volk. Die Welle der Unzufriedenheit könnte bald über die Ufer schlagen und die Straßen überfluten. Dann wird man keine Zeit mehr finden, über Geldsorgen zu sprechen.
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