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Glauben in der Gemeinschaft

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Die Kirche bezieht immer wieder einmal eindeutige Positionen. Sie erklärt etwa, daß Hans Küng die katholischen Glaubensauffassungen nicht in ihrem Sinne vertritt und weist damit die Gläubigen darauf hin, daß sie in Zukunft nicht mehr dem Geist der Glaubensgemeinschaft entsprechen, wenn sie sich weiterhin mit Küng als Leitfigur in Glaubensfragen verbunden fühlen. Der Gläubige wird also vor die Alternative gestellt: entweder Bekenntnis zur päpstlichen Autorität oder Entfremdung von der Glaubensgemeinschaft.

In verschiedenen Stellungnahmen wird nun die Meinung vertreten, daß diese Bekenntnisaufforderung keineswegs einen Akt autoritärer Zwangsausübung durch die Kirche darstelle. Vielmehr wäre es ja dem freien Willen des einzelnen überlassen, sich für oder gegen die Kirche, für oder gegen einen Glauben zu entscheiden.

Nun sieht eine solche Anschauung aber wohl am wirklichen Ent-scheidungskonflikt des Betroffenen vorbei: denn wenn man eine christlich-katholische Grundhaltung einnimmt und nicht die Absicht hat, diese aufzugeben, dann hat man auch nicht die Wahlfreiheit zwischen gleichwertigen Alternativen.

Entscheidet man sich aber für eine Distanzierung von der Kirche, dann kann eine solche Reaktion auf Dauer nicht ohne negative Folgen auf das persönliche Verhältnis zum Glauben bleiben. Denn der Verlust der Kirche als Gemeinschaft und die damit verbundene Isolationsgefahr lassen sich rational nur bewältigen, indem man der Kirche für die Zukunft jede Berechtigung abspricht, die katholische Glaubensgemeinschaft zu repräsentieren.

Mit der Entwertung der Kirche und dem Rückzug in eine Art Privatgläubigkeit ist jedoch der Sinn einer religiösen Orientierung in Frage gestellt, denn ein Glaube kann sich nicht verwirklichen, wenn er sich nicht im persönlichen sozialen Handeln erkennbar begründet.

Die enttäuschte Distanzierung von der Kirche, die anfangs wie ein mutiger Befreiungsakt aussieht, kann somit dem Anspruch einer verantwortungsbewußten Verfolgung religiöser Ziele nicht standhalten. Das aber führt zur Erkenntnis der Notwendigkeit einer radikaleren Selbstverantwortung. Eine solche verlangt vor allem das Bewußtsein, daß es der einzelne Mensch von sich aus ist, der, auf der Suche nach einer Gemeinschaft im Glauben, eine Kirche erschafft und sie am Leben erhält, somit auch für ihr soziales Verhalten die Verantwortung übernehmen muß.

Das bedeutet: Man kann nur jenes Maß an Freimut und Offenheit von ihr erwarten, das man selbst in sie hineinträgt. Unter diesem Blickwinkel der geistigen Auseinandersetzung etwa mit dem „Fall Küng" muß somit der an die Kirche gerichtete Vorwurf der autoritären Vorgangsweise auch als einer des mangelnden Engagements an den Kritiker zurückgegeben werden.

Ein solcher Fall verweist, abseits aller dogmatischer Fragen, eindringlich auf die politische Verantwortung des einzelnen gerade auch im religiösen Bereich.

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