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Lehrerinnen bewerten strenger
Acht Prozent der Junglehrer an Österreichs Berufsschulen teilen ihren Schülerinnen und Schülern grundsätzlich kein Nichtgenügend aus, aber nur 6,7 Prozent der Jung- lehrerinnen finden sich dazu be- reit. Nach mehr als zehn Dienst jäh- ren steigt diese Rate bei den männ- lichen Pädagogen auf 15 Prozent an, während die Lehrerinnen auch nach langjähriger Schultätigkeit in ihrem strengeren Urteil konstant blieben. Ein kürzlich abgeschlos- senes Forschungsprojekt über das Sitzenbleiben an Berufsschulen brachte diese bemerkenswerten Ergebnisse, wobei im Auftrag des Unterrichtsministeriums 225 Lehr- personen an 14 Berufsschulen in ganz Österreich befragt worden waren.
Auch die Antworten auf die Fra- ge nach der negativen Beurteilung schlechter schulischer Leistungen überhaupt blieben bei den Lehre- rinnen bei langjähriger Berufstä- tigkeit konstant hoch - nämlich rund 27 Prozent -, während jene Lehrer, die am Beginn ihrer Lauf- bahn noch zu 33 Prozent keine Milde walten ließen, nach zehnjähriger Berufstätigkeit nur noch zu 25 Prozent negativ beurteilten.
Entgegen landläufiger Meinung stellte sich bei dieser Studie her- aus, daß den persönlichen Bedin- gungen der Schüler - der Familien- situation, Krankheiten, menschli- chen Problemen - Lehrer mit zu- nehmendem Alter eher Verständ- nis entgegenbrachten als ihre weib- lichen Kollegen.
Daß die Angst vor Direktoren oder Inspektoren die Strenge der Beno- tung beeinflusse, wiesen laut Un- tersuchung Lehrerinnen und Leh- rer weit von sich.
Erziehen Frauen also - entgegen üblicher Annahme - strenger als Männer? Nicht zu leugnen scheint jedenfalls, daß Frauen anders er- ziehen als Männer - weil sie selbst anders erzogen werden. Simplifi- zierende Darstellungen gehen da- von aus, daß Pädagogik als das theo- retische Wissen über Erziehung und Erziehung als das Tun in der kon- kreten Situation säuberlich zu tren- nen sind. Ein solcher Standpunkt übersieht allerdings, daß das Er- lebnis der eigenen Erziehung und die in der Umwelt herrschenden Vorstellungen wünschenswerter Erziehungsziele für Mädchen und Frauen in jedem erzieherischen Tun ihren Niederschlag finden.
Sind also beispielsweise Anpas- sung, Fleiß, Aufmerksamkeit und Rücksicht gegenüber den Mitmen- schen von Mädchen eher gefordert als von Buben, werden diese Mäd- chen als Junglehrerinnen dies von ihren Schülerinnen und Schülern ebenso fordern. Die unbewußten inneren Kriterien werden sie im Vergleich zu ihren männlichen Kol- legen zu größerer Strenge veran- lassen.
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