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Digital In Arbeit

Der Lehrer als Fließbandarbeiter?

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Ein Ja zur leistungsbezogenen Lehrer-Besoldung. Aber dann müßte man von jenen unbezahlten Tätigkeiten reden, die die Gesellschaft an die Schule delegiert hat.

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Ein Ja zur leistungsbezogenen Lehrer-Besoldung. Aber dann müßte man von jenen unbezahlten Tätigkeiten reden, die die Gesellschaft an die Schule delegiert hat.

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Am 1. April wurden in den Medien wieder Aussagen des Erziehungswissenschaftlers Professor Volker Krumm von der Universität Salzburg wiedergegeben: „Lehrer sollen künftig nach ihrer Leistung bezahlt werden.”

Für mich als Gewerkschafter stellt sich hier sofort eine Frage: Was will Professor Krumm mit dieser Aussage bewirken? Wenn ich davon ausgehe, daß es sich um keinen Aprilscherz gehandelt hat, so bleiben noch zwei Möglichkeiten übrig: Als erstes könnte man annehmen, daß endlich erkannt wurde, daß die Leistungen der Lehrerschaft nicht voll abgegolten werden. Der zweite Fall ist jener, daß wieder einmal jemand es besser weiß und die Besoldung der Lehrerinnen und Lehrer neu strukturieren möchte.

Es wurde auch gleich ein Vorschlag mitgeliefert, nämlich daß die Bezahlung von der Schülerzahl abhängig sein soll. Hier überträgt Professor Krumm fälschlicherweise die Situation an den Universitäten auf den Schulbetrieb, der sich von der Volksschule bis zur Beifeprüfung erstreckt. Gilt an der Universität die Studentin, der Student im Vorlesungssaal nur als Nummer, so wird im Schulbereich mit jeder Schülerin, mit jedem Schüler direkter Kontakt gehalten. Das Ausmaß des individuellen Eingehens auf den einzelnen Schüler ist sicher von der Schülerzahl abhängig. Je.weniger Schüler sich in einer Klasse befinden, umso mehr Zeit kann die Lehrkraft dem einzelnen widmen. Der Arbeitseinsatz bleibt jedoch gleich, eine Stunde hat sowohl bei 15 Schülern als auch bei 25 Schülern 60 Minuten. Oder will Professor Krumm die Lehrerarbeit nach Stückzahl wie am Fließband bewerten?

Völlig unbekannt dürfte Professor Krumm auch die Tatsache sein, daß aufgrund von Teilungszahlenverordnungen manche Schülergruppen absichtlich vom Gesetzgeber in Kleingruppen geführt werden, wie zum Beispiel die Fremdsprachen, wo die Kleingruppen dafür stehen, daß die Sprachkompetenz des einzelnen gefördert wird. Auch aus Sicherheitsgründen werden Teilungen durchgeführt. Die Eltern würden sich bedanken, wenn zum Beispiel im Schwimmunterricht eine Lehrkraft mit 36 Kindern allein das Schwimmbad aufsuchen würde. Völlig außer acht bleibt dabei auch, daß die Schulkinder unterschiedlich veranlagt sind. Wir haben einen Bereich zu betreuen, der sich vom Hochbegabten bis hin zum Behinderten erstreckt. Verhaltensauffälligkeit und Aggressivität nimmt immer mehr zu. Auch Schüler mit Lernschwächen sollen so weit als möglich das Bildungsziel erreichen. Der Unterricht verlangt von der Lehrkraft vollste Konzentration und vollsten Einsatz, ganz unabhängig von der Schülerzahl. Schülerinnen und

Schüler dürfen nicht als Nummern angesehen werden, an denen sich die Lehrerbesoldung orientiert.

Für eine leistungsbezogene Besoldung trete ich als Gewerkschafter natürlich ein. Aber hier sehe ich einen ganz anderen Aspekt als Professor Krumm: Wo bleibt die Abgeltung jener zusätzlichen Leistungen, welche die Lehrerschaft erbringt, weil die Gesellschaft wieder ein Problem an die Schule abschiebt? Der Ausbau der Schulpartnerschaft, so sinnvoll er ist, brachte ebenfalls zusätzliche Arbeitszeit für die Lehrkräfte. Heute ist die Schule nicht nur für die Wissensvermittlung zuständig, sondern auch Erziehung und Betreuung der Kinder bis spät in den Nachmittag gehört zum Alltag der Schule. Die Eltern erwarten sich, daß eine große Anzahl von Schulveranstaltungen (Sportwochen, Auslandsaufenthalte, ...) durchgeführt wird. Daß die Wirtschaft diesen Einkommensfaktor nicht missen will, ist auch offensichtlich. Ich frage mich nur: Wer' in Österreich' außer der Lehrerschaft, würde bei einer Schulveranstaltung rund um die Uhr Dienst machen, wenn er für die zusätzlichen Arbeitsstunden nichts bezahlt bekäme.

Die immer größer werdende Zahl von Problemschülern verlangt von den Unterrichtenden neben der Betreuung im Unterricht auch zusätzliche Betreuung außerhalb der Unterrichtszeit. Die nötigen Elterngespräche erhöhen ebenfalls die Arbeitszeit der Lehrer. Eine leistungsorientierte Bezahlung in diesen beispielhaft angeführten Bereichen wäre schon lange nötig. Will man all diese unbezahlten Tätigkeiten nicht sehen, oder glaubt man, die Lehrerschaft nimmt dies schon ohne Murren hin?

Ja, man versucht mit Studien, den Lehrerstand in der Öffentlichkeit ins schiefe Licht zu rücken. Dabei gilt: „Es wird schon etwas davon hängen bleiben.” So war es ja auch mit der Studie von Professor Krumm zur Gewalt in der Schule. Ich zitiere aus einer APA-Aussendung: „So antworteten 23 Prozent der Schüler der 7.

und 8. Schulstufe, von einem Lehrer im vergangenen Monat mindestens dreimal ungerecht behandelt, gekränkt oder geärgert worden zu sein.” Ich lehne jeden Einzelfall von Ungerechtigkeit und Kränkung ab, aber wenn sich ein Schüler über den Lehrer ärgert, weil ihm dieser vielleicht eine Hausübung gab, oder diese verlangt hat, so wurde hier einiges vermischt. Hier drängt sich schon der Verdacht auf, daß man damit rechnet, daß es letztendlich heißen wird, 23 Prozent wurden ungerecht behandelt. Ob man mit solchen Äußerungen der österreichischen Schule (die international sehr angesehen ist) einen Dienst erweist, müßte Professor Krumm als Erziehungswissenschaftler wohl am besten beurteilen können.

Wenn man von leistungsorientierter Bezahlung spricht, so sollte diese auch in die Tat umgesetzt werden, indem man all jene Tätigkeiten, die derzeit unbezahlt von den Lehrerinnen und Lehrern erbracht werden, entsprechend abgilt. Wie würde die Öffentlichkeit reagieren', wenn die Lehrerschaft all diese nicht besoldeten Leistungen nicht mehr erbringt.

Zum Vorschlag, Eltern und' Schüler sollen die Höhe der Lehrerbesoldung mitbestimmen, möchte ich kurz und bestimmt feststellen: Jegliche Mitbestimmung von Eltern und Schülern bei Besoldungsfragen der Lehrer würde dazu führen, daß ein Abhängigkeitsverhältnis entstehen würde, und wird daher entschieden abgelehnt. Zu diesem Thema möchte ich Dieter Kindermann („Kronen Zeitung”) zitieren: „Bleibt nur die Frage offen, ob die Lehrer wirklich noch unbefangen auf Leistung und Wissen bei den Schülern drängen werden.”

Abschließend noch eine Frage: Wie würde die Besoldung der Finanzbeamten (die völlig korrekt jene Gesetze umsetzen, die im Parlament beschlossen wurden) aussehen, wenn die Steuerzahler das Gehalt dieser Berufsgruppe bestimmen.

Der Autor ist

Versitzender der Lehrergewerkschaft der Sektion Höhere Schule.

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