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Mehr Macht dem Bürger

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Die Beteiligung von Bürgern an Entscheidungsvorgängen der Verwaltung ist keine anarchistische Forderung allesverhindern-der Grünutopisten, sondern ein für den Fortbestand der Demokratie lebensnotwendiger Dyna-misierungsanstoß.

Die Laienbeteiligung in der Rechtssprechung war zur Beseitigung der monarchistischen Kabinettjustiz unabdingbar. Nun ist es die Bürgerbeteiligung an der Verwaltung zur Abwehr von Einzel-und Gruppeninteressen, die den Staat und die Natur für sich vereinnahmen wollen.

Das herkömmliche Gewalten-trermungssystem greift nicht mehr, weil sich die Gewichte der

Gesetzgebung, der Rechtssprechung und der Verwaltung untereinander zugunsten letzterer verschoben haben. Der Ubergang zur Informationsgesellschaft ohne entsprechende Anpassung der Bürokratiestruktur führt zu einer Informations- und damit Machtkonzentration bei der Verwaltung. Durch die faktische Vermischung von Legislative und Exekutive im Parteienstaat reichen die Einrichtungen der repräsentativen Demokratie zur Kontrolle der Verwaltung nicht mehr aus, weshalb der Souverän (das Volk) direkt daran beteiligt werden muß.

Voraussetzung dafür ist, daß einerseits die zur Beurteilung der zu kontrollierenden Entscheidungen notwendigen Informationen zugänglich gemacht und andererseits faire und ökonomische Verfahrensmodelle gefunden werden. Beides zusammen schafft der Endentscheidung eine über die bloße Legalität hinausgehende Legitimität, welche sie auch in einer freien, nicht auf Zwang gegründeten Gesellschaft durchsetzbar und damit für die öffentliche und private Wirtschaft kalkulierbar macht.

Aufgrund einer Regierungsvorlage der kleinen Koalition (Novelle des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes), die freilich durch das Ende der Gesetzgebungsperiode hinfällig geworden ist, liegt ein erstes Modell vor. Diese Pioniertat kaim zwar nicht hoch genug eingeschätzt werden, ist aber heute bereits überholt, zumal sie als erste und rasche Reaktion auf den Hainburger Demokratisierungsaufschrei Stückwerk bleiben mußte.

Der Entwurf, der für eine Art Bürgerpartei eine beschränkte Parteistellung im Bewilligungsverfahren für Arten von Projekten, die in den einzelnen Materiengesetzen erst festzulegen wären, vorsah, krankt in erster Linie an mangelnder Waffengleichheit der Verfahrensbeteiligten. Die Bürgerpartei wäre zudem erst in einem Stadium beteiligt, da bereits ein von Experten mit entsprechendem Aufwand bis ins Detail fixiertes Einreichprojekt vorliegt.

Dem steht das aktuellere Modell eines partizipativen Planungsprozesses (PPP) gegenüber, das von einer Arbeitsgemeinschaft unter Führung des Soziologen Erich Bodzenta im Parallelwettbewerb „Donauraum" der Gemeinde Wien vorgestellt wurde.

Zugleich mit der Vorplanung des Betreibers soll in mehreren Planungszellen (die Zahl richtet sich nach der Größe des Projekts) ein intensiver Informationsaustausch zwischen Bürgern, die in einem Zufallsauswahlverfahren aus der betroffenen Bevölkerung ermittelt wurdien, Vertretern von einschlägigen Bürgerinitiativen und Verbänden (etwa nach dem Muster der Verbandsklagslegiti-mation im Wettbewerbsrecht) und Experten, von denen mindestens einer von den Bürgern selbst benannt wird, stattfinden.

Ähnlich den Laienrichtern in der Justiz sind die Bürger für ihren Zeitaufwand zu entschädigen, die Kosten für die erforderlichen Experten und Unterlagen sind zu ersetzen.

Die Planungszellen erstellen dann unter Moderation eines gewählten Prozeßbegleiters (etwa ein unabhängiger Universitäts-angehöriger) gemeinsam ein Bürgergutachten, das gleichrangig mit jenen der Experten in den weiteren Entscheidungsprozeß einfließt, der nun auf eine gemischte Kommission übergeht. Diese besteht aus Delegierten der Planungszellen, Amtssachverständigen, Bürgersachverständigen und Verwaltungsbeamten und berät und beschließt über das Einreichprojekt.

Sollten die zuständigen Repräsentanzgremien (etwa Gemeinderat) mit diesem Beschluß nicht einverstanden sein, so körmen sie eine Volksabstimmung durchführen. Sollte das Projekt durch diesen PPP legitimiert werden, so folgt - sofern diese nach derzeitiger Materiengesetzeslage erforderlich ist — das behördliche Bewilligungsverfahren mit dem Betreiber und einer Bürgerpartei, die nach dem Muster des Ediktalverfahrens des bereits geltenden Dampfkesselemissionsgesetzes ermittelt wird, als Beteiligten.

Volle Parteistellung

Die Bürgerpartei hat volle Parteistellung einschließlich Beschwerdelegitimation an den Verwaltungsgerichtshof, wenn entweder das B e willigungs verfahren ohne vorherigem PPP oder dessen positiven Beschluß eingeleitet oder im Bewilligungsverfahren selbst materielle oder formelle Vorschriften verletzt wurden.

Wie schon in der Regierungsvorlage vorgesehen, sind alle Einzelverfahren (Gewerbe, Wasser, Naturschutz) zu einem zu konzentrieren. Eine nachträgliche Änderung des Einreichprojektes erfordert die Zurückverweisung in den PPP.

Bekämpft eine Partei den erstinstanzlichen Bescheid, so hat die Oberbehörde das erstinstanzliche Verfahren auf materielle und formelle Mängel zu überprüfen und nicht losgelöst vom bisherigen Verfahren ein völlig neues durchzuführen, wie dies etwa beim Hainburger Naturschutzverfahren der Fall war. Auch die Oberbehörde ist an das PPP-Pro-jekt gebunden.

Die Verwaltung käme zum Erliegen, wenn jedes Projekt den PPP durchwandern müßte. Er ist daher insbesondere für Fälle der Raumplanung, Flächenwidmung, Be- oder Verbauung (ab einer bestimmten Bauklasse, Höhe oder Ausmaß der Erdbewegung), Strukturplanung oder sonstigen Projekten, bei denen mehr als ein Hektar Fläche betroffen ist oder das Gesamtinvestitionsvolumen 50 Millionen Schilling übersteigt, vorzusehen.

Der Autor ist Rechtsanwalt in Wien.

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