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Mit Polizisten

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Das Erscheinungsbild des sozialistischen Finanzministers hat Flecken bekommen. Die Reform des Steuersystems, gekoppelt mit dem hartnäk-kigen Beharren auf dem Mehrwertsteuersatz und der Ankündigung weiterer Steuererhöhungen noch in dieser Legislaturperiode, haben den Prozeß der Entmystifizierung des jungen SPÖ-(Wirtschafts)-Wunder-Politikers nur beschleunigt. Dies wiederum hat auf die Agitation des Finanzministers abgefärbt, die von der „Kleinen Zeitung“ sehr treffend mit „wortreich, aber wenig überzeugend“ charakterisiert wird.

Wann die selbstverschuldete inflationistische Preisentwicklung in Österreich zum Waterloo des sozialistischen Finanzministers wird, ist heute, da er mit der Einführung der 16prozentigen Mehrwertsteuer jedenfalls im Jahr 1973 die Inflation prolongieren will, noch nicht absehbar. Sicher ist nur, daß er schon in den nächsten beiden Jahren mit dem Mehrwertsteueraufkommen den 5-Milliarden-Schilling-Verlust aus der Lohn- und Einkommensteuer--„Reform“ mehr als wettgemacht haben wird. Daß Minister Dr. Androsch darauf spekuliert, hat er schon vor einem Jahr in einem sehr beachtenswerten „Presse“-Artikel dargelegt. Er schrieb damals, daß erstens trotz Senkung der Lohn- und Einkommensteuer die Steuerbelastungsquote nicht gesenkt werden dürfe und daß er zweitens beabsichtige, die Steuerstruktur zugunsten der indirekten (preiswirksamen) Steuern zu verschieben. Dies läuft sicherlich darauf hinaus, die Geldillusion (rasch steigende Bruttoeinkommen bei noch rascher steigenden Verbraucherpreisen) der österreichischen Steuerzahler weiter zu nähren.

Daran werden die mit der Einführung des Mehrwertsteuersystems angedrohten Maßnahmen des Preisstopps gewiß nichts ändern. Dies beweisen schon die Erfahrungen, die im vergangenen Jahr elf westeuropäische Länder und die USA mit dem Versuch, die Inflation mit Preisstopps oder mit Preis-„Polizisten“ zu bremsen, gemacht haben. Daß die Erfolge sich nicht einstellen wollten, vermag zwar den kundigen Leser nicht zu überraschen, erstaunlich aber ist, daß auf so einfachem Weg immer noch politische Resultate angestrebt werden. Ein Preisstopp setzt den marktwirtschaftlichen Mechanismus an einer höchst wichtigen Stelle außer Funktion und er ist bekanntlich reichlich einfach einzuführen: nämlich auf dem Weg des Erlasses. Einmal eingeführt, entwickelt er ein Eigenleben, weshalb er nur mit sehr großer Mühe wieder abzuschaffen ist.

Ein Preisstopp verhindert einen gerechten Marktausgleich. Er ist über kaum merkliche Produktverschlechterungen leicht zu umgehen und erzeugt (bei gleicher Nachfrage) einen aufgestauten Inflationsnachholbedarf (Inflationsrückstau), der sich dann, nach Ablauf der Preisstoppfristen, durch massive Preiserhöhungen bemerkbar macht. In Österreich wurde das nach den drei letzten Nationalratswahlen (März 1970, Oktober 1970, Oktober 1971) hinlänglich bewiesen.

Preiskontrollen können lediglich Symptome kurieren, das müßte eigentlich zu ihrer Charakterisierung genügen. Die Ursachen der Inflation sind oft genug genannt worden: eine zu expansive Budget- und Geldpolitik, eine schlecht dosierte Tarifpolitik und manches andere. Ein Preisstopp, wie ihn die Regierung immer wieder als Allheilmittel der inflationistischen Preisentwicklung zu propagieren trachtet, zeugt lediglich von der Unmöglichkeit, eine stabilitäts-orientierte Wirtschaftspolitik zu betreiben. Man kann der Regierung und insbesodere ihrem Finanzminister nicht den Vorwurf ersparen, im Bereich der falschen (also im Boom zu expansiven) Konjunkturpolitik neue Maßstäbe gesetzt zu haben. Dabei scheint es fast so, als würde die Bundesregierung sonderlich Wert darauf legen, derart eingeschätzt zu werden. Denn sonst könnte etwa Bundeskanzler Dr. Kreisky trotz der preisexplosiven Situation der Uberbeschäftigung nicht ständig davon reden, daß seine Regierung an der Vollbeschäftigungspolitik festhalten wolle.

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