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Nachdenkliches über Demokratie

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„Gedanken zur Lage der Demokratie“ erbat und erhielt der Österreichische Cartellverband (ÖCV) von namhaften Vertretern des öffentlichen Lebens. Unter diesem Titel sind sie nun als Broschüre erschienen - mit einem ermunternden Vorwort des Bundespräsidenten. Wir zitieren auszugsweise aus vier von insgesamt neun Beiträgen, die zugleich auch das weite Spektrum der eingeladenen Autoren widerspiegeln.

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„Gedanken zur Lage der Demokratie“ erbat und erhielt der Österreichische Cartellverband (ÖCV) von namhaften Vertretern des öffentlichen Lebens. Unter diesem Titel sind sie nun als Broschüre erschienen - mit einem ermunternden Vorwort des Bundespräsidenten. Wir zitieren auszugsweise aus vier von insgesamt neun Beiträgen, die zugleich auch das weite Spektrum der eingeladenen Autoren widerspiegeln.

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Verlust der menschlichen Tugenden

Die Demokratie hat drei Hauptfeinde: die Arbeitslosigkeit, die Kriminalität — in ihrer ganzen Breite von Eigentumsdelikten über Sittlichkeitsdelikte bis zum sogenannten politischen Terror — und den naiven Pazifismus, der die innere Bereitschaft zur Verteidigung lähmt und jeden Aggressor geradezu einlädt.

Ein anderer Feind der Demokratie ist die Demokratisierung. In den letzten Jahrzehnten überflutete eine Demokratisierungswelle die Welt. Die Demokratisierung aller Lebensbereiche wurde gepredigt. Es hatte einen guten Klang, alles und jedes zu demokratisieren.

Eine solche Uberstrapazierung des Demokratiebegriffes ist problematisch. In Wirklichkeit verbirgt sich hintfer einer derartigen Demokratisierungseuphorie häufig nur der Wille zur Zerstörung der gesellschaftlichen Ordnung. Wer Ehe, Familie und sonstige private Bereiche demokratisieren will, darf sich nicht wundern, daß er dadurch die Demokratie ins schiefe Licht rückt.

Will man, daß die Demokratie funktioniert, dann muß man sie als ein Gestaltungsprinzip vor allem für den politischen Bereich anerkennen. Es gibt auch politikfreie Lebensbereiche, in denen die Politisierung höchst bedenklich ist. Man muß auf hören, die Demokratie dadurch abzuwerten, daß man sie als eine erst zu verwirklichende Utopie bezeichnet…

Die Toleranz ist eine notwendige Voraussetzung für das menschliche Zusammenleben. In einer Demokratie, die das Ordnungsgefüge einer pluralistischen Gesellschaft darstellt, ist sie unerläßlich. Daraus folgt, daß die Toleranz zwingend gegenüber dem anderen Menschen, auch wenn er * aus der subjektiven Sicht des sie Übenden irrt, anzuwenden ist.

Die Forderung aber, es sei auch Toleranz gegenüber dem Irrtum zu üben, ist demokratiefeindlich, denn dies führt zu Standpunktlo- sigkeit, zur Grundsatzlosigkeit und damit zu einer Haltung, die man nicht in einer Demokratie, sondern einzig und allein in einer autoritären Herrschaft brauchen kąnn. Menschen, denen eine derartige Toleranz eingeimpft wurde, sind die potentiellen Mitläufer totalitärer Bewegungen …

Eine Demokratie braucht Autorität und bedarf der Hierarchie. Wer dies leugnet, zielt entweder auf die Errichtung eines anarchischen Systems ab oder er betrügt.

Der schleichende Tod jeder Demokratie jedoch ist der Verlust der menschlichen Tugenden. Die Menschen waren nie eine Ansammlung von Heiligen. Sie hatten aber immer ein Orientierungsbedürfnis.

Wenn Prototypen der Gesellschaft, seien sie nun in der Politik in der Kunst oder Kultur oder in der Wirtschaft tätig, über Ehre, Anständigkeit, Moral, Achtung des Nächsten, Respekt vor den Älteren, Ordnung, Leistung, Disziplin; usw. nur mehr lächeln, darf man sich nicht wundern, wenn die Häufung von Fehlleistungen, die ihre geistigen Ursachen in einem derartigen Tugendverlust haben, zur Abwendung des Bürgers vom politischen Geschehen führen und andererseits bei ihm selbst Schritt um Schritt einen gleichartigen Tugendverlust herbeiführen.

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