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Neue Schönheit ?

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Von einer Podiumsdiskussion können natürlich keine Lösungen oder allgemein gültige Antworten erhofft werden, zumal das Diskussionsthema wie die Büchse der Pandora ungeahnte geheimnisvolle und rational kaum faßbare Inhalte barg. Trotzdem machten die aus verschiedenen mit Architektur befaßten Bereichen kommenden Diskussionsteilnehmer teilweise bisher kaum beachtete Zusammenhänge ersichtlich. Gemeinsam mit der FURCHE hatte die Fachgruppe Architektur des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins unter dem Vorsitzenden Hugo Potyka eingeladen.

Das Gespräch der Podiumsdis-kutanten — es waren dies der Grazer Kunstgeschichtler Sokratis Dimitriou, die Wiener Architekten Franz Fehringer, Hans Hollein und Gustav Peichl, der Wiener ÖVP-Stadtrat Jörg Mauthe, der für Denkmalschutz der Stadt Wien zuständige Roland Schachel und der Grazer Architekt Michael Szyszkowitz — mündete in eine sehr interessante Auseinandersetzung über gegensätzliche Standpunkte, bei der die Offenheit und der Mut zur unpopulären Meinung überraschten.

Zusammengefaßt ergab sich etwa Folgendes: Die Architektur der letzten vierzig Jahre besitzt — mit wenigen Ausnahmen — kaum Phantasie. Auch „Schönheit" ist kein in der zeitgenössischen — insbesondere österreichischen — Architektur vorkommendes Kriterium. Schuld daran seien — so Schachel — weder Architekten noch Beamte, sondern ein System, das nur meßbare und von Computern erfaßbare Maßstäbe kennt, alle Elemente des Irrationalen, des Geheimnisses, des nicht Erklärbaren seien ausgeschlossen.

Jörg Mauthe sparte nicht mit scharfen Angriffen auf „Scheußlichkeiten" heutiger Architektur, was ja in einem Lande keineswegs verwunderlich sei, in dem ein Baustadtrat dezidiert erkläre, daß Architektur im Wohnbau zweitrangig zu behandeln sei. Hollein möchte Schönheit nicht allein auf die sichtbare Oberfläche begrenzt wissen, sie sei ein viel tiefergreifendes Phänomen, das nicht in moralischen Kategorien meßbar sei. Fehringer dagegen räumte in seinem Vergleich zwischen Mensch und Bau der Seele eines Bauwerks den gleichen Stellenwert ein wie seiner Schönheit.

Gustav Peichl warnte eindringlich vor einer verordneten Schönheit sozusagen vor der Pflicht zur Schönheit — er könne ja nicht sicher sein, das schön zu finden, was

Mauthe schön findet. Der Begriff Schönheit — so Dimitriou — stand immer im Gegensatz zur Häßlichkeit und wurde in jeder Zeit verschieden empfunden und beurteilt. Daß die auf uns gekommenen Bauten als schön angesehen würden, sei wohl dem Umstände zuzuschreiben, daß die Zeit häßliche Bauten eliminiert hätte.

Eindrucksvoll formulierte Szyszkowitz als der jüngste Teilnehmer, daß die allgemeine Krise auch eine Bewußtseinsänderung auslösen würde, die den Kosten-und Zeitfaktor zurückdrängen und zu einer ganzheitlichen Betrachtungsweise führen könnte. Durch die intensive Beschäftigung mit der Architektur ohne Belastung durch Überlegungen der bestmöglichen Nutzung oder der Polyfunktionalität wurden neue lebensnotwendige Dimensionen eröffnet, eine neue Form von Schönheit oder Phantasie. Dimitriou verwies auf die mangelnde „disziplinare Architektur", die die Erfahrungen des Funktionalismus mit den Grundelementen der Kunst verknüpfen sollte.

Aus dem Zuhörerkreis wurden zum Teil weit auseinanderliegende Fragen an die Podiumsredner herangetragen. Das reichte von der Feststellung, daß jede Gesellschaft eben die Architektur habe, die sie verdiene oder daß eine Architektur dann gut sei, wenn Erbauer und Benutzer zufrieden seien, bis zur Beschreibung des mühsamen Amtsweges bei Planungsaufträgen für Objekte in Schutzzonen und der Frage nach Einbeziehung der Künstler bei der Bauplanung, oder der Überlegung, wie zu erklären sei, daß gerade im Zeitalter weltumspannender hochentwickelter Technik die Architektur in vergangene Formensprachen flüchte.

Vorschläge, die kurzfristig Verbesserungen mit sich bringen könnten, waren die Ubergabe von Großprojekten ausschließlich an dafür wirklich qualifizierte Büros (Beispiel Bauten österreichischer Architekten im Ausland) und die qualifizierte Information über Architektur in den Medien.

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