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Nicht nur Gebote und Verbote
Die Autorin ist Redakteurin und diplomierte Ehe- und Familienberaterin, sie hat drei Kinder.
Die Autorin ist Redakteurin und diplomierte Ehe- und Familienberaterin, sie hat drei Kinder.
Kürzlich sagte ein Bekannter zu min „Bis jetzt habe ich die Kirche nur als eine Einrichtung erlebt, die Gebote und Verbote aufstellt, die Lehrmeinungen verkündet und sich als das Gewissen der Welt fühlt. Was ich vermisse, ist Aufmerksamkeit und Güte denen gegenüber, die Mißerfolge im Leben haben, denen vieles zerbricht und wenig gelingt - aus eigener Schuld oder aus bestimmten Umständen heraus. Ich vermisse, daß das, was die Kirche verkündet, deutlich gelebt wird. Das müßte doch aus dem Verhalten derer, die vorgeben, Christen zu sein, deutlicher hervorgehen. Könnte ich verschiedene Haltungen und Einstellungen besser und intensiver erleben, würde mir das meine persönliche Veränderung zum Besseren hin erleichtern und mir helfen auf der Suche nach dem Sinn meines Lebens." '
Kirche als Institution, als Instanz in bestimmten Bereichen der Moral wird in zunehmendem Maße nicht ernstgenommen oder gar abgelehnt. Nicht nur von Atheisten oder Gleichgültigen, sondern auch von vielen, die sich als religiös ansprechbar bezeichnen. Andererseits suchen alle diese Menschen eine überzeugende Antwort auf ihre Lebensfragen, eine Antwort auf ihr Versagen und auch darauf, ob Neubeginn möglich ist oder nur Verzweiflung als Ausweg bleibt
Ich stelle mir daher seit längerem die Frage, ob ich als Christ genug Zeichen bin für das, was ich glaube und wonach ich mein Leben ausrichte. Sehe ich nicht zu oft in unseren Sakramenten nur mehr in Ritus erstarrte Kulthandlungen und zuwenig die strahlenden Zeichen für die Zuwendung Gottes oder die Stärkung für ein Lebensprogramm, an dem ich mitwirke?
Bedeutet etwa Sakrament der Ehe nur eine einmalige Handlung zweier Menschen vor dem Priester? Sollten wir nicht darum bemüht sein als Christen, Ehe als Zeugnis und Zeichen dafür zu leben, daß Verantwortung für und Bindung an einen anderen Partner wirklich auf Dauer gelebt werden kann - ungeachtet der persönlichen Verschiedenheiten, ungeachtet mancher Krisen, die durch
Veränderung entstehen, ungeachtet des Versagens und ungeachtet der Mühsal, die es bedeutet, eine liebende Beziehung zwischen zwei Menschen stets neu zu sehen und lebendig zu halten?
Wir könnten auch erfinderischer sein im Setzen anderer Zeichen als der sieben gewohnten und eingelernten. Bedeutet das Wort Sakrament nicht auch Engagement, Engagement für Wandel und Umkehr, aber auch Engagement der Christen gegenüber bestehenden gesellschaftlichen Institutionen?
Um da überzeugend sein zu können, bedarf es allerdings bestimmter Haltungen, etwa der Gelassenheit, der Geduld, der heiteren Zuversicht, der Festigkeit in der Grundentscheidung, der Wachsamkeit, aber auch der Herzensgüte und Höflichkeit und der Achtung vor dem Gewissen der anderen - um nur einige aufzuzählen, wie sie Bernhard Häring kürzlich in seinem Vortrag über Moral heute erwähnte.
Unser konkretes Leben an sich ist Zeichen, ist Sakrament und könnte so anderen eine Hilfe und Ermutigung sein - Demut vorausgesetzt.
Den Menschen in Not und Dunkelheit erscheint heute kein Engel mehr, der ihnen Licht verkündet. Aber die Angst ist nach wie vor da und kann nur genommen werden durch jene, die im Namen Jesu ihre Zeichen setzen. Nur so ist wahre Mensch-Werdung möglich, Veränderung zu einem besseren, volleren Mensch-Sein hin im Sinne dessen, der mit seiner Mensch-Werdung das erste Zeichen gesetzt hat.
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