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Revolution auf pragmatischer Basis
Der eben mit dem Manes Sperber-Preis ausgezeichnete Soziologe Peter L. Berger veröffentlichte im Wiener Atelier-Verlag ein Werk von heute noch kaum zu überschauender Bedeutung: „Die kapitalistische Revolution”.
Darin heißt es: „Als ich mich vor mehr als fünfzehn Jahren mit diesen Fragen zu beschäftigen begann, hielt ich viel von der Möglichkeit, daß der Sozialismus eine humanere Form wirtschaftlicher und sozialer Ordnung sein könnte. Das konsequente Studium dieses Themas, verbunden mit vielen Reisen in den untersuchten Ländern, führte den (übrigens in Wien 1929 geborenen) Autor zu für ihn unerwarteten Ergebnissen: „Es war einfach die .erdrückende Last' des während jahrelanger Arbeit in meinem Kopf angesammelten empirischen Beweismaterials, die mich zu jenem Standpunkt führte, den ich jetzt einnehme.”
In fünfzig Leitsätzen, die sehr konkret abgeleitet und gestützt werden, führt Peter L. Berger mit beeindruckendem Wissen und anschaulich dargelegter Erfahrung an seine These heran, die er am Schluß schlicht ausdrückt: „Bewahrheiten sich unsere bisherigen Annahmen, so kann kein Zweifel daran bestehen, daß der Kapitalismus allen anderen derzeit bestehenden Gesellschaftsordnungen vorzuziehen ist.”
Der Autor übersieht keineswegs die gewichtigen Einwände, die einem solchen Resultat entgegenstehen, aber er berücksichtigt und untersucht sie in seinem Buch. Wenn er schreibt: „Der Industriekapitalismus neuerer Prägung hat breitesten Bevölkerungsschichten den höchsten Lebensstandard in der Geschichte der Menschheit gebracht und tut dies immer noch”, so klingt das provokant, aber die Fakten, die Peter L. Berger aus Geschichte und Gegenwart anführt, erklären diese Feststellung.
Die Schwäche des Kapitalismus, der über keinen Mythos verfügt, über keine romantische Utopie, sondern bloß pragmatische Voraussetzungen und Resultate anbietet, wird keineswegs übersehen. Hier nähert sich Peter L. Berger seinem Landsmann Karl Popper, der jegliche Mythisierung verurteilt, der darauf dringt, die Welt mit „kritischem Rationalismus” zu betrachten und die Mythen von Piaton, Karl Marx und Adolf Hitler (wie unterschiedlich sie auch sein mögen) als ungeheure Gefahr und grauenvolles Verhängnis zu durchschauen („Die offene Gesellschaft und ihre Feinde”, Franke Verlag, Bern).
Peter L. Berger führt in Anknüpfung an Gedanken von Max Weber den Begriff „Wirtschaftskultur” ein, der die Kultur mit der Realität verschmelzen läßt. Er zeigt die Schwachstellen des demokratischen Kapitalismus, die möglichen Fehlentwicklungen, und sehr überzeugend die Gründe des Schiffbruchs der sozialistischen Staatsformen in allen ihren Varianten.
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