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Rossinis „kleine Messe“

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Rossinis Alterswerk, die „Petite Messe solenelle“, obwohl unsprüng-lich für die Liturgie bestimmt und auch zur Messe aufgeführt, kommt als Kirchenmusik nicht in Frage. Seinem eigenen Ausspruch nach soll er gezweifelt haben, ob es eine sakrale oder eine „sakrische“ Musik sei. Heute sind wir geneigt, beides zu verneinen, sie auch als Konzertmesse trotz ihrer schönen Melodien als spannungslos und gleichsam müde zu bezeichnen. Es fehlt die rossinische Eleganz, der spritzige Einfall und vor allem die rhythmische Straffheit. Ursprünglich waren die instrumentale Begleitung zwei Klaviere und ein Harmonium. Die Instrumentation für großes Orchester stammt aus den Jahren 1866 und 1867. Höhepunkte der Komposition sind die beiden Fugen des Gloria und Credo sowie die als Offer-torium gesetzte Fuge für Orgel. In diesen Teilen ist der alte Glanz vorhanden und steigert sich zum Erlebnis, während die Musik der anderen Teile trotz sehr guter Wiedergabe des ORF-Orchesters, der vier Solisten Judith Beckmann, Olivia Bre-wer, Donald Grobe und Walter Berry sowie der exakten und klangvollen Leistungen des vom Wiener Jeunesse-Chor verstärkten ORF-Chores nicht zünden wollte und nicht konnte. Milan Horvath tat als Dirigent sein bestes, aber auch er konnte einen alten Rossini nicht jung machen.

Einen Chor junger Stimmen zu hören, ist immer eine Freude. Das empfindet man auch bei den Darbietungen des Chores „Jung-Wien“ unter Leitung seines Erziehers Professor Leo Lehner. Ein ganzes Abendprogramm auswendig zu singen, bedeutet am Ende auch eine geistige Leistung bedeutender Art. Wie diese 40 Stimmen die oft zungenbrecherischen Texte klar und deutlich und fast immer mühelos und lächelnd an den Mann bringen, darf sogar als Einmaligkeit bezeichnet werden, auch wenn man gelegentlich die Überzeugung hat, daß die Mühe besserer Textierung wert wäre. Klangvolumen, Frische des Tons und des Ausdrucks aber heben darüber hinweg — und die Disziplin, die schon beim Auftritt beginnt und in jedem Einsatz mitklingt. Singende Jugend — nicht grölende — wird immer ein singendes Volk am schönsten repräsentieren.

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