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Mit Chören, Orgel und Orchester

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Mit der zur 20-Jahr-Feier seines Bestehens veranstalteten Aufführung von Bachs „Hoher Messe” hatte sich der Wiener Madrigalchor auch eine hohe Aufgabe gestellt, die im wesentlichen gut gelang. Durchaus anerkennenswert die Leistungen des mit der Goethe-Kantor ei vereinigten jubilierenden Chores, sie erreichten im ,Kyrie” mit seiner machtvollen Fuge, im „Credo” mit dem gewaltigen „Cruciflxus” und im Jubel der kolorierten Fuge „Sanctus” Höhepunkte des Konzertes, wobei allerdings leichte Ermüdungserscheinungen der Soprane zu tolerieren waren. Für den instrumentalen Teil sorgte ein Kammerorchester der Philharmoniker und stellte gleichzeitig mit den Herren Swoboda, Boar, Rezni- zek, Bartholomey und anderen treffliche Solisten bei. Nicht zu vergessen die beiden vorzüglichen Trompeter Wobisch und Singer. Die Sodi- stimrmen kamen mit Ausnahme Klaus Gerboths, eines leicht beweglichen, für figuratrven Gesang geeigneten Tenors, vom Linzer Landestheater, und zwar der klangvolle Sopran Nasrin Azarmis, der weiche, legato- erfahrene Alt Helga Wagners und der als dankenswerter Einspringer zu schätzende Conrad Immel in der für ihn als Bariton zu tiefliegenden Baßpartie. Die vom Publikum des Großen Musikvereinssaales lebhaft akklaimierte Jubiläuimsaufführung stand unter der sicheren, mit voller, ja ekstatischer Hingabe sich widmenden Leitung Dr. Xaver Meyers, des Gründers des Madrigalchores.

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Hedwig Bilgram vertrat ihren erkrankten Lehrer, Karl Richter, im sechsten Konzert des Orgelzyklus des Musikvereina und machte Ihm, was Į ihre klare Artikulation, ihre stupende Technik und ihre klug abgestimmte Registrierung betrifft, alle Ehre. Höhepunkt ihres Programms war die Wiedergabe von Regers letztem Orgelwerk, der Phantasie und Fuge in d-Mo!l, die alle Kunst des großen Kontrapunktikers fulminant widerspiegeln. Daß sich Jehan Alains „Litanies” neben Bachs eingangs gespieltem Präludium und Fuge und Mozarts für eine Orgelwalze komponierter f-Moll-Phantasie (KV 594) gut behaupten konnten, spricht für die hohe Wertigkeit des kurzen, als programmatisches Werk amzusehen- den Stückes. — Der in bester Disposition mitwirkende, von Helmut Froschauer geleitete Singverein erwies sich als ein einer menschlichen Riesenorgel vergleichbarer, vorzüglicher Klangkörper, dem ein subtiles Pianissimo ebenso zur Verfügung stand, wie ein dramatisch akzentuiertes klangmächtiges Forte. Poulenc und Debussy, letzterer mit seinen eindrucksvoll interpretierten „Trois Chansons”, und Britten mit seinen reizenden Weihnachtsliedern („A ceremony of Carol”) fanden eine genauso stilistisch-sorgsame Erfassung wie Bachs Motette „Jesus, meine Freude” und die bekannten drei geistlichen Chöre Bruckners. Ein Sonderlob für die beiden Gesangssolistinnen Gerlinde Gotz und Arleene Auger. Alles in allem ein Konzert, das nach den in der letzten Zeit gehörten Abenden mit Chor-„Musik” wieder die richtige und nicht mißbräuliche Verwendung von Vokalvereinigungen zeigte.

Paul Lorenz

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Das Ereignis des siebenten Orchesterkonzerts am vergangenen Freitag im Großen Komzerthauissaal hieß Christa Ludwig. Sie sang, von den Wiener Symphonikern unter der Leitung von Heinrich Hollreiser begleitet, jene überdimensionale „Arie”, mit der die „Götterdämmerung” schließt. — Seit vielen Jahren wird immer wieder von der Kritik und durch den Applaus des Publikums bestätigt, daß Christa Ludwig sich auf der Höhe ihrer Kunst, ihrer Karriere befindet. Aber hier, im Schlußgesang der Brünhilde, konnte man feststellen, daß ihr Vortrag eine neue Dimensian erhalten hat: Zur technischen Brillanz und zum orphischen Wohllaut Ihrer das Orchester auch im Forte mühelos überstrahlenden Stimme ist ein persönliches Timbre, ein ergreifender Ausdruck gekommen, der uns. das, Fehlen u.der,„.Opembühne vergessen, machte. Übrigens hat Frau Ludwig noch nie so vorteilhaft ausgesehen. Die vorangegangene „Trauermusik” gelang den Symphonikern unter Heinrich Hollreisers anfeuemder Leitung dramatisch, packend und klangprächtig.

Es wtar sinnvoll — und wurde überdies in einem klugen Programmkommentar von Rudolf Klein erläutert — mit dieser Szene Bruckners Dritte zu verbinden, die „Sr. Hochwohlgeboren, Herrn Richard Wagner, dem unerreichbaren, weltberühmten und erhabenen Meister der Dicht- und Tonkunst in tiefster Ehrfurcht” gewidmet ist. Was es wohl war, daß uns bei dieser Interpretation nicht glücklich werden ließ? Mit der Gestaltung Hollreisers im Ganzen und im Detail konnte man einverstanden sein, auch mit den Tempi und der Gasamtdauer (von 55 Minuten), die der Wiener Auifführungspraxäs entsprachen. Was man vermißte, war der Schönklang: vieles geriet trocken und hart. Das lag wohl vor allem an der ungünstigen Akustik des Großen Konzerthaussaales, unter der vornehmlich die Musik der Romantiker au leiden hat.

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