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Missa und Orchesterballade

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Beethovens „Missa solemnis“, gleich den großen Passionsmusiken J. S. Bachs und der Verdischen Totenmesse über den liturgischen Rahmen hinaus zur tönenden Confessio der Menschheit geworden, fand eine ihrer Bedeutung entsprechende festliche Wiedergabe unter Karl Böhm. Die gewaltige Aufgabe des Chores, von der Wiener Singakademie in vorbildlicher Exaktheit und Gekonntheit bewältigt, wurde von einem Solistenquartett überglänzt, das sowohl in jeder Einzelstimme als auch im Ensemble von besonderer, Schönheit und Ausdruckskraft war: Pilar Lorengar, Christa Ludwig, Robert llosjalvy, Walter Berry. Als Instrumentalsolist bot Walter Schneiderhan (Violine) eine durchgeistigte Benedictus-Kantilene. Das Orchester ( Wiener Symphoniker), hervorragend disponiert, hätte man sich gleichwohl, besonders bei den Herzstellen der Messe, „Et incarnatus est“ und „Benedictus“, gedämpfter vorstellen können. Karl Böhm hat das Werk von romantischem Überschwang ebenso ferngehalten wie von akademischer Glätte, was ihm und den Ausführenden die Zuhörerschaft nach anfänglicher eindrucksvoller Stille mit reichem Beifall dankte. F. K.

Die Hauptwerke des siebenten, von Dr. Karl Böhm dirigierten Philharmonischen Abonnementkonzerts waren Mozarts (große) g-Moll-Symphonie und Tschaikowskys Vierte. Dazwischen stand die Novität: Gottfried von Einems 1958 im Auftrag des Cleveland-Orchesters geschriebene „Ballade“, op. 23. Nach dem Anhören findet man — trotz des Programmkommentars — den Titel unpassend, der „Divertimento“, „Ballettszene“ oder ähnlich lauten müßte. Die formale Anlage ist zweiteilig, wobei die beiden Hälften mehr im Notenbild als beim Hören kontrastieren. Tonart und Metrum haben sie gemeinsam, das Hauptthema besteht aus Tonwiederholungen, die Harmonik ist die denkbar konservativste. Man staunt, daß es dem Komponisten gelingt, trotz dieser ungünstigen Prämissen unterhaltsame und bewegliche (wenn auch nicht gerade bewegende) Musik zu machen, denn Einems Strukturen und rhythmische Kunststücke sind immer interessant. Das virtuose Stück wurde von Dr. Böhm mit federnder Rhythmik ausgestattet, von den Philharmonikern launig gespielt und fand den ungeteilten Beifall ihres Publikums — so wie wahrscheinlich auch dessen von Cleveland.

Das Pariser Kammerorchester unter Leitung von Paul Kuentz musizierte Konzerte von“ Jean-Philippe Rameau, Jean-Marie Leclair, G. B. Pergolesi und Luigi Boccherini und beschloß den Abend mit der geistvollen 3. Sonate für Streicher von G. A. Rossini. Man muß diesem Ensemble durchaus junger Leute Klarheit und Durchsichtigkeit des Spiels sowie eine vorbildhafte rhythmische Präzision bestätigen. Die sehr weit getriebene Objektivierung des Klanges nimmt ihm allerdings den sinnlichen Reiz. In den Konzerten von Pergolesi und Leclair konnte Christian Larde (Flöte) als Solist sein Können legitimieren, was Michel Renard (Cello) bei Boccherini nur zum Teil gelang. Der Dirigent beherrschte seine kleine Schar in ebenso sicherer wie beschwingender Weise.

Britische und italienische Volkslieder sang Murray Dickie und wiederholte damit seinen Volksliederabend vom Vorjahr mit größtenteils neuem Programm. In die Begleitung teilten sich Karl Scheit (Gitarre) und Hans Dokoupil (Klavier). Der Unterschied in der Begleitung ist beträchtlich. Während die Gitarre der Singstimme (und damit hier dem Volkslied) selbst bei gelegentlich kontrapunktischer Führung ihre volle — gleichsam einstimmige — Wirkung läßt, wird sie vom Klavier in einen (oberton-reichen) Gesamtklangraum gehoben, der sie zwar beschwingt, doch viel von ihrer Eigenart absorbiert. Den ariosen italienischen Volksliedern bekam das besser als den schottischen und irischen. Murray Dickie weiß als sein eigener Conferencier den Zuhörern Interessantes über seine Lieder zu sagen, zumindest ihren oft ernsten, oft vergnüglichen Inhalt, und er sagt es eben ernst oder vergnüglich. Seine Art, sie zu singen, ist so ungekünstelt und unanimiert, daß jede Phrase ankommt. Der Sänger und seine beiden Begleiter wurden herzlich bedankt.

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