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Chorwerk und Kammermusik

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Wie eine subtile Einzelleistung die große Linie zu erreichen, dagegen eine chorische innerhalb ihres weitgespannten Bogens der kleinsten Phrase gerecht zu werden vermag, konnte man an zwei Abenden erleben, die, obgleich voneinander unabhängig, fast auf diesen Gegensatz abgestimmt schienen. Duso Ii n a Giannini, als künstlerische Persönlichkeit das Musterbeispiel eines in strengster Selbstzucht gebändigten Temperaments, sang Arien und Lieder alter und neuerer italienischer Komponisten und mitten drin vier Gesänge von Brahms mit einer Klarheit der Tongebung und natürlicher, nur gelegentlich durch kaum merkbare Gestik unterstützter Intensität des Ausdrucks, die man als völlig deutsch bezeichnen kann. Noch näher, zumindest subjektiv, liegt ihr freilich das Theater, wie Vortrag und stürmischer Erfolg der .Habanera" bewiesen. Die Dusolina ist weder im Programm noch im Vortrag gine Neuerin, doch die Größe ihrer Persönlichkeit hebt beides über den Durchschnitt hinaus.

Als den Gegenpol dieses Abends empfanden wir die „Schöpfung" unter Karajan, bei der diesmal der Chor des Singvereins der Gesellschaft der Musikfreunde die überragende Leistung bot. Die Großlinigkeit des Werkes rechtfertigt hier eine freskoartige Führung der Chöre, etwa den barocken Deckengemälden vergleichbar. Innerhalb dieser geschwungenen Linien aber kam diesmal jede Einzelheit, gleichsam jedes Wölkchen des Bildes zu seiner Geltung, jedes Motiv zu seiner vollen Wirkung. Gegen die bewundernswerte Leistung des Chores fiel bei dem fast zu häufig aufgeführten Riesenwerk diesmal die der Solisten und sogar des ausgezeichneten Orchesters etwas ab.

Neben diesen Konzerten der Meisterschaft gab es zwei Abende des gastierenden Züricher Bach-Chors, deren erster in der Karlskirche vorzügliche Interpretationen alter Orgelmusik, aber nur unbedeutende Chorleistungen bot, darunter eine viel zu schnelle, unmozartische Wiedergabe des .Ave verum", während der zweite mehr oder weniger interessante Werke Schweizer Komponisten vorstellte, in seiner chorischen Leistung jedoch abermals im Mittelmäßigen stecken blieb, was sich besonders im Vortrag des „Weihnachtsoratoriums" nicht überhören ließ. Anmutig in Stimme und Erscheinung, wenn auch dem Badischen Stil nicht entsprechend, böt die junge Sopransolistin Colette Lorand aus Basel die überragend beste Leistung.

Dagegen zeigte sich der Madrigalchor der Bach-Gemeinde in deren zweitem Kammerkonzert unter Julius Peter weit höheren Ansprüchen gewadisen. Sein ungekünstelt schlichter Klang ohne jede überhitztheit beweist eine sorgfältige natürliche Behandlung der Stimmen, die gegeneinander noch nicht ganz ausgewogen und in den Tenören ein wenig brüchig sind, dagegen das heute seltene Erlebnis einer geistigen Einheit artistisch ehrgeizlosen, absolut dem Kunstwerk dienenden Singens darstellen und in diesem Sinne eindrucksvoller wirken als mancher hochgezüchtete Kammerchor. Von den Solisten erwiesen sich allerdings nur Emmi Becker und Otto Wiener ihrer stimmlich und stilistisch gleich schwierigen Aufgabe gewachsen.

Unter den Hoffnungen des künstlerischen Nachwuchses boten zwei Pianisten bedeutende Leistungen: Friedrich Gulda mit einem ebenso vielfältigen als großartig durchgeführten Programm, darin besonders seine reife Auffassung Beethovens in den Eroica- Variationen sowie sein stilreines Bach-Spiel imponierte. Die Wahl seiner Zugaben entsprach der hohen Auffassung seiner Sendung. Felicitas Karrer zeigte in der Interpretation der beiden Klavierkonzerte Beethovens op. 15 und op. 58 eine der formalen Fertigkeit zwar noch untergeordnete, gleichsam schüchterne, aber spürbar wachsende Ausdruckskraft.

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