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Schweizer Zank um Frauenrecht

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Gleiche Rechte für Mann und Frau und ein besserer Konsumentenschutz sind die zwei Themen, Überdiesich die Schweizer Stimmbürger am 14. Juni an der Urne auszusprechen haben. Bei den Abstimmungsvorlagen geht es um einen Zusatz in der Bundesverfassung, die nur mit einer Mehrheit des Volkes und der Kantone (der 26 Gliedstaaten) geändert werden kann.

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Gleiche Rechte für Mann und Frau und ein besserer Konsumentenschutz sind die zwei Themen, Überdiesich die Schweizer Stimmbürger am 14. Juni an der Urne auszusprechen haben. Bei den Abstimmungsvorlagen geht es um einen Zusatz in der Bundesverfassung, die nur mit einer Mehrheit des Volkes und der Kantone (der 26 Gliedstaaten) geändert werden kann.

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Beide Themen wurden ursprünglich durch eine Volksinitiative aufs Tapet gebracht. Nachdem Bundesrat (Exekutive) und Parlament aber einen textlichen Gegenvorschlag ausarbeiteten, zogen die Initianten ihre Begehren zurück, so daß jetzt nur je eine Variante zum Entscheid ansteht.

Zehn Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechts auf Landesebene geht es mit der Vorlage „Gleiche Rechte für Mann und Frau" um einen weiteren Schritt zur Gleichberechtigung der Frau in Staat und Gesellschaft.

Trotz verschiedener Anstrengungen in den letzten Jahren, bestehen nämlich in der Schweiz unbestritten noch zahlreiche rechtliche und tatsächliche Ungleichheiten in der Behandlung von Mann und Frau, auch dort, wo keine Rücksicht auf natürliche Unterschiede geboten ist. Das gilt vor allem im Familienrecht, im Strafrecht, im Steuerrecht, im Arbeitsrecht und in der Sozialversicherung.

Es muß allerdings gleich hinzugefügt werden, daß in verschiedenen Bereichen Bestrebungen zur Verwirklichung der Gleichberechtigung im Gange sind (Eherecht, Güterrecht, Altersversicherung usw.). Das Ergebnis dieser, in der parlamentarischen Phase befmdli-chen Revisionsarbeiten ist noch offen.

Eine ausdrückliche Verankerung der Gleichheit von Mann und Frau in der Verfassung würde diesen Bestrebungen gewissermaßen einen „Boden" geben. Auf den ersten Blick genügt zwar der bestehende Artikel vier der Bundesverfassung, der besagt: „Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich." Daraus allein aber läßt sich noch keine Gleichstellung von Mann und Frau in allen Bereichen ableiten.

So konnte beispielsweise, aufgrund der Interpretation des höchsten Gerichtes, das Frauenstimmrecht gestützt auf diesen Artikel nicht eingeführt werden. Die politische Gleichberechtigung mußte auf dem Weg über eine Verfassungsänderung in mehreren Anläufen erstritten werden.

Mit dem nun dem Volk vorgelegten Zusatz zum besagten Verfassungsartikel würde die Unsicherheit, was gleich und was ungleich zu behandeln ist, beseitigt und die Gleichstellung von Mann und Frau eindeutig und für alle Rechtsbereiche festgelegt.

Der zur Abstimmung vorgelegte Artikel lautet:

„Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit."

Mit diesem Kompromißtext, der im Laufe eines intensiven Meinungs- und Willensbildungsprozesses im Parlament die Mehrheit erhielt, konnten sich die Initiantinnen, die 1975 - im Weltjahr der Frau - ein Volksbegehren zur Gleichberechtigung lanciert hatten, einverstanden erklären und zogen die Initiative zurück.

Fast alle relevanten politischen Gruppierungen und gesellschaftlichen Organisationen befürworten die Vorlage in ihren offiziellen Parolen. Auch im Parlament hat sie ein klares Mehr erreicht.

Die eher „namenlosen" Gegner haben sich in einem Komitee mit dem programmatischen Titel „Gegen die Gleichmacherei" gruppiert und sehen in der Vorlage eine, weitere Etappe des „Feminismus-Programmes zur Um-

krempelung der Gesellschaft" und einen „Angriff auf die Familie zugunsten von Kollektiven". Dagegen argumen-tiereh die Befürworter, die Gleichberechtigung von Frau und Mann sei schlicht ein Gebot der Menschenwürde und ein Postulat der Gerechtigkeit.

Es ist jedermann klar, daß zwischen der veröffentlichten Meinung und der geheimen Urnenabstimmung ein gewaltiger Unterschied besteht und daß patriarchalische Widerstände vielleicht erst auf dem Stimmzettel zum Ausdruck kommen. Da die Stimmbürger in letzter Zeit Neuerungen ohnehin nicht sonderlich hold waren, wäre ein Nein keine Überraschung.

Eine lange Leidensgeschichte hat die zweite, öffentlich stärker umstrittene Abstimmungsvorlage, der Verfassungsartikel über den Konsumentenschutz, hinter sich. Seit "bald zwei Jahrzehnten wird um einen Textvorschlag gerungen. Auch hier brachte schließlich eine Ende 1977 eingereichte Volksinitiative den Gesetzgeber notgedrungen auf Trab.

Es liegt nun ein textlicher Kompromiß vor, der die Initianten soweit zufrieden stellte, daß sie ihr Begehren zurückziehen konnten. Der jetzt zum Entscheid anstehende Artikel will den Konsumenten vor Übervorteilung und Täuschung bewahren, seine Gesundheit schützen und die Sicherheit von Produkten gewährleisten.

Dabei soll vor allem die sachliche Information gefördert und die obligatorische Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen verlangt werden. Der Verfassungsartikel soll in erster Linie Hilfe zur Selbsthilfe sein. Er ermöglicht den bisher kaum mit öffentlichen Geldern unterstützten Konsumentenorganisationen, die Verbraucherinteressen besser wahrzunehmen.

Ziemlich überraschend ist diesem als tragfähig angesehenen Kompromiß doch noch starke offizielle Opposition erwachsen, hat doch mit der (wirtschaftsfreundlichen) Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) eine an der Regierung beteiligte Gruppierung die Nein-Parole herausgegeben, der sich auch der mächtige Handels- und Industrieverein anschloß.

Der Abstimmungsausgang ist auch hier höchst ungewiß.

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