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Sinngebung einer Dreiländer-Ausstellung

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Noch war die Verzauberung des Grazer Burggartens durch den „Sommemachts- traum” der festlichen Juninächte des Jahres 1963 in lebhafter Erinnerung als eine völlig andere Bestimmung die große Wandlungsfähigkeit der uralten Baumlandschaft bewußt werden ließ. In einer Freilichtaufstellung waren hier die Werke der bedeutendsten, zugleich der den Stil der Zeit bezeichnenden lebenden Bildhauer der Länder Jugoslawien, Italien und Österreich versammelt. Es lag nahe, auf den inneren Zusammenhang zwischen dem Raum und den Sinn dieser Ausstellung zu erinnern.

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Noch war die Verzauberung des Grazer Burggartens durch den „Sommemachts- traum” der festlichen Juninächte des Jahres 1963 in lebhafter Erinnerung als eine völlig andere Bestimmung die große Wandlungsfähigkeit der uralten Baumlandschaft bewußt werden ließ. In einer Freilichtaufstellung waren hier die Werke der bedeutendsten, zugleich der den Stil der Zeit bezeichnenden lebenden Bildhauer der Länder Jugoslawien, Italien und Österreich versammelt. Es lag nahe, auf den inneren Zusammenhang zwischen dem Raum und den Sinn dieser Ausstellung zu erinnern.

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Der Erbauer des nach ihm benannten Traktes der Grazer Burg, die mit ihrer breiten Ostfront den Burggarten beschließt, war Karl H., Erzherzog von Österreich, aus dessen „Begräbnis” im Dom des obersteirischen Stiftes Seckau, dem frischen, fremden Renaissanceprunk die nicht zu überhörende Mahnung an das Wort von der „vanitas vanitatum” dem betroffenen Besucher entgegenklingt. Die Vergänglichkeit und die Unzulänglichkeit alles menschlichen Beginnens drängt sich uns ins Bewußtsein - stärker als sonst, da an der Größe der Macht und des Ansehens eines Sterblichen gemessen die unentrinnbare Verhaftung in den engen Grenzen der geschaffenen Kreatur besonders eindringlich sichtbar wird.

Auch das Bild der Größe eines Zeitalters, das im inneren Widerstreit seiner geistigen Träger - der Gegenreformatoren, die so gerne die Reformatoren einer unfromm gewordenen Kirche gewesen wären und der Reformatoren, die nicht an Abfall und Trennung glauben möchten - den Charakter und die Dimensionen der Städte und der Länder gebildet hat, im besonderen die bis in die Gegenwart hereinwirkende Prägung des Menschenschlages der Steirer und der Ur- und Wahlgrazer unterschiedlicher Fa- ęon Karl II. hatte in der Gewissenslast seines bewegten Lebens, wie für Graz und Klagenfurt, auch für Laibach und Görz und Aquileia Sorge zu tragen und als Inhaber des ewigen und immerwährenden Generalates der win- dischen und kroatischen Grenzen abendländischer Verantwortung zu dienen. Erinnerungen an gemeinsam erlebte und erlittene schwere und gute Zeiten sind hier in den Steinen und Ziegeln seines Hauses eingemauert und bilden den sinnvollen historischen Platz für die Eröffnung der Dreiländerausstellung TRIGON, zu der sich die Künstler Italiens und Jugoslawiens mit den Österreichern treffen.

Steiermark war das Vorland und Graz die Hauptstadt und Hauptfestung des eigenständigen staatlichen Gebildes, das Innerösterreich hieß und dessen Regent Karl II. gewesen war. Warum gerade diese drei Länder? Die großen Europa im wesentlichen konstituierenden Völkerschaften, die Germanen, Romanen und Slawen schickten gewissermaßen ihre extremsten Grenzbewohner zu einem einigen staatlichen Gebüde zusammen. Überflüssig zu streiten, wann und warum und wie es geschah.

Nicht überflüssig ist es zu bedenken, daß Grenzer die empfindlichsten Wahrer ihres angestammten Sprach- und Külturlebens sind und besonders zu verweisen ist darauf, daß Grenzer so verschiedener nationaler Herkunft durch eine Schule gegenseitigen Ken- nenlemens, gegenseitigen Verstehens und durch die Erfahrung immer neu zu bekämpfender Mißverständnisse bei aller bleibenden Nuancierung doch die Annäherung eines harmonischen Zusammenlebens gewinnen können. Wo in Europa hat es einen landschaftlich (von den Alpen bis zur Adria) so unterschiedlich gegliederten Raum gegeben, durch ein gemeinsames Regiment geordnet, verwaltet und verteidigt-in dem sich das Windi- sche, das Welsche und das Deutsche zusammengefunden haben.

Dieses faszinierende Ereignis in der Realität seiner Zusammenordnung und seines Zusammenlebens gehört der Vergangenheit. In seiner menschlichen und moralischen Tradition darf es nicht vergessen werden. Es ist eine durch ungezählte Bindungen der Freundschaften und Blutsverwandtschaften bis heute besiegelte Aufgabe und bestätigte Hoffnung. Das war der Grundgedanke des TRIGON. Ihn bewußt zu machen gab es keine bessere Möglichkeit, als ein Bündnis mit den jüngsten geistigen Kräften der drei Länder, deren Grenzregionen an dem alten Innerösterreich teilhatten, zu suchen. So treffen in dieser Ausstellung hier auf unserem Boden die romanische und die slawische Welt mit der Gegenwartskunst Österreichs zusammen, deren jede bei aller Modernität ihre letzte Herkunft aus der Überlieferung ihres Volksbodens nicht verleugnen kann.

Wir wissen sehr wohl: Unsere erste und einzige Aufgabe ist es, dem Geschehen in diesem unserem Lande zu dienen. Das gilt wie im wirtschaftlichen und sozialen Bereich, so auch für die Kultur und Bildung des Landes. In Erfüllung dieser Aufgabe geht es darum, alle inneren Eigenheiten dieses Landes, die Anlagen und Begabungen seiner Menschen, die Schätze seines Bodens, die verpflichtenden Traditionen seiner Geschichte in das Bewußtsein zu heben und im Bewußtsein zu halten. Wir wissen, daß uns die Erschließung des ganzen Kosmos nicht von der Verpflichtung entbinden wird, auf den wenigen Quadratmetern, die uns für unser Erdenleben zugemessen sind, mit den Fragen des Lebens und den Problemen der Zeit fertig zu werden. Aber diese wenigen Quadratmeter bleiben keine einschränkende Enge, wenn wir das Geschehen im Lande immer wieder in den Blutkreislauf des großen Weltzusammenhanges, der größeren menschlichen Zusammenhänge stellen, um unseren Standort zu bestimmen und unsere Standfestigkeit zu bewähren.

Diesem Blick und diesem Schritt hinaus aus dem „Glück im Winkel”, das es nicht mehr gibt, gilt eine der Absichten des TRIGON. Es wohnt ihm noch eine andere inne: Gibt es in der Kunst, in der Gegenwartskunst einen Geist, einen Willen, einen Aussagewillen, dann schwebt der Geist dieser Kunst, wie der Genius selbst, frei und erhaben über allen Grenzen und Mauern als verbindende Kraft, als eine der verbindenden Kräfte, zu denen sich zu bekennen, denen zu dienen und die dem Bestand der menschlichen Kultur zu erschließen letzter Sinn jeder Bemühung um Bildung und Sitte ist.

Im inneren Kern des TRIGON ist der Name „Innerösterreich” eingeschlossen. Das alte Innerösterreich gehört als politisches Gebüde der Geschichte an - aber vielleicht ist es in dieser Stadt Graz und in diesem Land Steiermark doch erlaubt, eine „inner österreichische Aufgabe” in einem anderen Sinne zu erfüllen: Als eine Aufgabe, die aus der innersten Berufung Österreichs gestellt wird: Dem gegenseitigen Verständnis und der Bereitwilligkeit, einander zu helfen, in einer aus Ressentiments und Mißverständnissen so schwer herausfindenden Welt zu dienen.

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