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„Unter Mühen tätig sein”

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Kultur haben heißt: tätig sein. Das ist einer jener Grundgedanken, von denen unsere Bil- dungs- und Kulturarbeit nicht ablassen darf. Das lateinische Verbum colere, von dem das Wort Kultur abgeleitet ist, ist ein Tätigkeitswort; Kultur haben heißt aber mehr als tätig sein schlechthin. Es bedeutet: unter Mühen tätig sein, sich diese Tätigkeit auch etwas kosten lassen. Genie ist Fleiß, sagt Goethe. In seinem Lied über den Weinbau spricht der alte Vergil vom labor improbus, von der verfluchten Arbeit im Weinberg an der strengen Reihe der Zeilen und der Weingartenstecken, an der Bindung der .Reben, die erst die goldene Frücht des Weines :/britlgt. Benedikt von Nursia hat als Grundlage für die kultivierteste Humanitas, die dieses Abendland geprägt hat, die Lebensregel „Ora et labora” aufgestellt.

Der Kulturverfall der Gegenwart liegt in der Negation dieser Regel, in der Passivität der breiten Masse. Das Radio im Hause hat — um gewissermaßen im Stenogrammstil unsere Lage zu charakterisieren — die Zither und das Hackbrett verdrängt. Die Wurlitzerorgel macht — wenn nichts Uebleresl — unsere Hochzeitsgeiger arbeitslos. Der Film, das Fernsehen, das unkultivierte Radiohören ersparen jede eigene Bemühung, jede Anstrengung der musischen Anlagen im Menschen.

Vor der Gefahr solchen Kulturverfalles ist die Steiermark nicht gefeit. Wenn dennoch in diesem Lande Kultur auch heute noch weithin wirklich im Sinne des „Unter Mühen tätig sein” und des „Ora et labora” verstanden wird, sd gewiß einmal deshalb, weil die Steiermark ein Land ist, wo die Kulturarbeit noch mit der Bebauung des Ackerlandes beginnt: der Landeskulturausschuß des Steiermärkischen Landtages befaßt sich mit den Fragen und Aufgaben der Land- und Forstwirtschaft, und alle Arbeit, die im anderen kulturellen Bereich, also in der Kunst- und Wissenschaftspflege, geleistet wird, vollzieht sich in der Steiermark nie unter landfremden großstädtischen Aspekten, sondern in steter Bedachtnahme auf diese ursprünglichen Kulturaufgaben.

Zum anderen aber wurde den Steirern ein Beispiel dafür, wie erst in der hingebenden, opferbereiten und rastlosen Tätigkeit kulturelle Leistungen vollbracht und ein Kulturbesitz erworben werden kann, überzeugend und verpflichtend vorgelebt von dem größten Erzieher, Lehrer und Wohltäter dieses Landes, von Erzherzog Johann Baptist von Oesterreich.

Als wahrer Stifter und Gründer alles Bestehenden in diesem Lande, als wahrer Notwender in der Zeit des Bankrotts hat Erzherzog Johann die Grundlagen alles dessen geschaffen, worauf heute unsere Wirtschaft beruht. Er hat die geistigen Bewegungen eingeleitet, in denen die Lebenswerke eines Peter Rosegger, eines Josef Steinberger, eines Viktor Geramb und Franz Mayr-Melnhof beschlossen sind. Nicht hoch genug zu schätzen ist das Beispiel, das Erzherzog Johann gegeben hat, als er 1849 nach sechsmonatiger Tätigkeit als deutscher Reichsverweser abdankte und die Berufung zum ersten gewählten Bürgermeister von Stainz annahm. Er hat damit erklärt, daß wichtiger als der Versuch, mit großen Parolen und Programmen die Welträtsel zu lösen, die einläßliche, stille und unscheinbare Tätigkeit in der kleinen Gemeinde und Gemeinschaft ist.

Der Feldherrnlorbeer, den sein Bruder Karl, der Sieger von Aspern, erwarb, blieb ihm versagt. Ein öffentliches Amt war ihm für längere Zeit nicht aufgetragen. Dennoch haben die Leistungen seines Lebens die Leistungen aller seiner Zeitgenossen, die hochbestallte Aemter verwalteten, Regierungsstellen leiteten, Armeen führten und in das Schicksal der Ländtp, Völker und Erdteile eingegriffen haben, alle, alle überdauert. Alle Bemühungen, die Erzherzog Johann unternommen hat, um das wirtschaftliche und geistige Leben seiner steirischen Wahlheimat zu fördern, sind Werke des Friedens gewesen. Ihnen war als Unterpfand die Verheißung des Friedens gegeben, die — um ein Wort Eichendorffs abzuwandeln — nie versagt wird, wenn treue Menschen Gutes redlich wollen.

In Erinnerung an Erzherzog Johann werden wir ein Jahr des Gedenkens, d, h. ein Jahr des Dankes feiern. Wir hoffen, daß wir im Vorsitz, dieses Feierjahr zu gestalten und ihm über einen routinemäßigen Jubiläumsrummel hinaus den Sinn einer Rechenschaft unseres gegenwärtigen kulturellen Lebens und Wollens zu geben, einen sinnvollen würdigen Anlaß, ein Ziel gefunden zu haben, auf das hin ausgerichtet die kulturelle Arbeit unseres Landes sich kräftig entfalten kann. Immer war es nämlich ein konkreter Anlaß, eine konkrete Aufgabe, an der sich der Kulturwille kleiner und großer Gemeinschaftenbewährte.

Dieses Jahr 1959, wenn wir es als Gedenkjahr feiern, darf kein sentimentales Kultjahr sein, in dem wir ununterbrochen das Weihrauchfaß schwingen. Das würde dem Wesen des Mannes, den es zu ehren gilt, widersprechen. Das Erz- herzog-Johann-Bild gehört in jede steirische Wohnstube, aber es gehört nicht in den Herr- gottswinkel. Wir müssen den Dingen ihre Wertordnung belassen. Unsere Devise, die wir dem steirischen Gedenkjahr 1959 geben, ist die: Was hat die Steiermark in den hundert Jahren nach dem Tod des steirischen Prinzen aus dem Erbe, das er ihr hinterlassen hat, gemacht, wie hat sie dieses Erbe verwaltet, wie hat sie es gemehrt? Ist sie dieses Lebenswerk wert gewesen? Es wird also ein Jahr der Rechenschaft sein, und in der Absicht„ dieses Jahr festlich zu begehen, wollen wir die kulturellen Werte und Ueberlieferungen des Landes zu seiner Feier beleben und entfalten.

Das steirische Gedenkjahr 1959 soll ein neuer Anfang sein. Alle Kräfte dieses Landes und seines Volkes, die im Gedenken an Erzherzog Johann zu Taten aufgerufen werden, sollten in erneuter Lebendigkeit weiter wirken und auch über alle parteilichen Grenzen und Schranken hinweg zusammenfinden und beisammenbleiben zur Ehre und zum Frommen des Landes. Es gibt keine schönere Devise für das vorgenommene Werk, als den Satz, den Erzherzog Johann 1829 zur 10-Jahr-Feier der von ihm gegründeten Landwirtschaftsgesellschaft gesprochen hat: „ … eines Herzens, eines Sinnes wollen wir zwar mit’ beschränkten Mitteln, aber unbeschränkter Liebe zum väterlichen Herd beweisen, was ein redlicher, treuer Sinn, Verstand und Beharrlichkeit vermag.”

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