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Digital In Arbeit

Sprachjongleure an der Arbeit

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Die Sprache der Politiker, ob-zwar viel und oft gehört, ist eine weitgehend unbekannte, weil bisher wenig erforschte Größe. Zu Unrecht, meint der Linguist Oswald Pänagl vom Institut für Sprachwissenschaft der Universität Salzburg, der einen speziellen Teil der „österreichischen Politikersprache”, nämlich die Regierungserklärungen der Bundeskanzler seit 1945 untersucht hat.

In der Untersuchung konzentriert sich Panagl auf ganz bestimmte Aspekte der Sprachverwendung, wie Wortschatz, Rhetorik, stilistische Figuren.

Abhängig von der historischpolitischen Situation einerseits und andererseits von der Person des jeweiligen Bundeskanzlers lassen sich beispielsweise schon in der Wortwahl große Unterschiede zwischen der ersten und der bisher letzten Regierungserklärung der Zweiten Republik feststellen.

Nahmen in der Rede Leopold Figls vom 21. 12. 1945 der Wortschatz und die Phraseologie der „ersten Stunde” breiten Raum ein („Wiederaufbau”, „geschichtlicher Augenblick”, „heilige Pflicht”), so standen bei Fred Sinowatz am 3. Mai 1983 ganz andere Begriffe im Mittelpunkt („Privilegienabbau”, „Friedensbewegungen”, „Lebensqualität”).

Während Figl vor allem an die Jugend den flammenden Appell richtete, doch „gleich an die Arbeit zu gehen”, um das „neue, junge Österreich” zu bauen, so mußte sich Sinowatz mit „Staatsverdrossenheit” und „sterilem Kulturpessimismus” auseinandersetzen und eindeutig feststellen, daß „nicht alles durch Politik machbar ist”.

Panagl stellte bei seiner linguistischen Analyse der Regierungserklärungen folgende — zum Teil mit charakteristischen Schlüsselwörtern verknüpfte — Entwicklungslinien fest:

• Zwischen 1945 und 1983 haben sich die politischen Problemfelder (von der „Freiheit” zur „Freizeit”, von der „Ökonomie” zur „Ökologie”) deutlich verschoben. 0 Die Belange des Staates treten im gleichen Zeitraum mehr und mehr gegenüber den Anliegen der Gesellschaft zurück.

• Die in den Regierungserklärungen behandelten Themen werden immer komplexer (und die Reden immer länger).

• Die Konzentration auf Österreich wird allmählich durch eine europäische beziehungsweise globale Perspektive erweitert.

• Das Pathos der ersten Jahre der Zweiten Republik weicht zunehmend einer nüchternen und sachlichen Tonart.

Neue Stichwörter in die Politik und damit auch in die Regierungserklärungen der Kanzler bringen die sechziger Jahre. Alfons Gorbach spricht beispielsweise von den „kleinsten Zellen der menschlichen Gemeinschaft” (Familie und Gemeinde), die gestärkt werden müssen.

In den Reden von Josef Klaus sind Bildungs- und Kulturpolitik dann zentrale Begriffe, denen er breiten Raum widmet, vor allem auch angesichts der immer „komplizierter werdenden technischen Entwicklung” wie auch der „zunehmenden Befriedigung materieller Bedürfnisse”.

Bei Bruno Kreisky, der in seiner dreizehnjährigen Amtszeit als Bundeskanzler viermal eine Regierungserklärung abgab, treten individuelle sprachliche Eigenheiten besonders deutlich hervor.

Bruno Kreisky war als Bundeskanzler ein Meister des Zitierens und geradezu virtuos im Einsatz „harmloser” Umschreibungen für weniger harmlose, ja unangenehme Sachverhalte.

So sprach Kreisky euphemistisch von „Anpassung der Tarife” und von „Stabilisierung der Ausgaben für Investitionen”, als es darum ging, den Österreichern zu sagen, daß es einerseits Tariferhöhungen, andererseits einen Investitionsstopp geben werde.

Auch daß es „für einen voraussehbaren Zeitraum keinen Verzicht auf Einnahmen des Staates geben wird”, klingt beim ersten Hinhören recht positiv, obwohl es eigentlich bedeutet, daß die Bürger verstärkt zur Kasse gebeten werden.

Gleichzeitig ver- und enthüllend ist die Sprachverwendung bei Fred Sinowatz, wenn er einerseits vom „AKH-Prozeß” und andererseits vom „WBO-Skandal” spricht. Gerade solche Details, so Panagl, verraten aber dem Fachmann recht viel über die politische Sprache einer bestimmten Zeit, wie auch über den persönlichen Redestil eines Politikers.

(Aus ibf-Report)

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