Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Denk' ich an Deutschland...
In Deutschland ist letzte Woche die geplante Steuerreform, mit der auch eine Reform der Rentenversicherung hätte einhergehen sollen, nach monatelangem Gefeilsche zwischen Regierung und Opposition endgültig gescheitert.
Die SPD hatte ihre Mehrheit im Bundesrat, der eine viel stärkere Stellung im Gesetzgebungsverfahren hat als bei uns, dazu ausgenützt, das Vorhaben durch immer neue Einwände so zu verwässern, daß letztendlich von dem großangelegten Be-formprojekt nichts mehr übrig geblieben war, das diesen Namen verdient hätte.
Gescheitert ist damit auch eines der großen Beformvorhaben der Regierung Kohl. Bis zur Bundestagswahl in einem Jahr hat Deutschland nun eine faktisch handlungsunfähige Regierung.
Dabei wäre das Projekt dazu angetan gewesen, eine breite Zustimmung in der Revölkerung zu finden, denn das Ziel einer Herabsetzung der Steuern, der radikalen Vereinfachung des komplizierten Steuersystems und damit verbunden auch eine Sicherung des Rentensystems, ist weithin unbestritten.
Insgesamt hätten die Steuerzahler um rund 200 Milliarden Schilling entlastet werden sollen, womit natürlich auch eine Zurücksetzung staatlicher Auf- und Ausgaben verbunden gewesen wäre. Wie zur Illustration hat der Bund der Steuerzahler zur selben Zeit einen Katalog von staatlicher Geldverschwendung in mehr als der doppelten Höhe der im Reformpaket anvisierten Einsparungen veröffentlicht.
„Denk' ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht”, möchten wir mit Heinrich Heine sagen. Das Beklemmende an den Vorgängen in Deutschland ist, daß die größte Wirtschaftsmacht Europas politisch gelähmt erscheint. Ein „Pfegefall”, wie ein Kommentator dieser Tage schrieb.
Es könnte zu einer europäischen Tragödie werden, daß ausgerechnet die fixen und die Wunsch-Teilnehmer anl Euro -Deutschland, Frankreich, Italien -völlig unfähig zu Reformen erscheinen, während die Euro-Skeptiker in Großbritannien und Skandinavien eine erstaunliche wirtschaftliche und soziale Dynamik entwickeln.
Und was geht uns in Östereich das an?
Ist bei uns nicht alles besser, wo keine Opposition die Regierung in ihrer Handlungsfreude und ihrem Reformeifer bremsen kann?
Leider nicht: Bei uns droht das Projekt der Pensionsreform in einer Auseinandersetzung aller gegen alle zu zerbröseln. Die Regierung macht nicht den Eindruck, als ob sie wirklich fähig wäre, ihre Vorhaben gegen den Widerstand organisierter Interessen durchzuhalten. Dabei wäre auch bei uns ein breiter Konsens in der Bevölkerung für die Schaffung eines gerechten Pensionssystems zu finden.
Die Regierung ist drauf und dran, eine Chance zu verspielen, um dann ebenso gelähmt zu sein wie die deutsche. Eine nächste Chance wird sie dann nicht mehr bekommen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!