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„Nassau“ und Paris

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Noch weiß niemand, welche Einzelheiten der amerikanische Botschafter in Paris, Charles Bohlen, in seiner Aktentasche aus Washington mitgebracht hat. Aber manche Beobachter — wie etwa J. Alsop — sind von der negativen Antwort de Gaulies auf das Polaris-Angebot Kennedys derart überzeugt, daß sie zur Vermutung neigen, Washington habe diesen Vorschlag „tongue in cheek“ (ironisch) gemacht. Nach der Nervosität französischer Regierungsstellen zu urteilen, die General de Gaulle bisher offenbar nicht in seine Gedankengänge eingeweiht hat, ist jedoch nicht unbedingt mit einer eindeutig negativen Antwort zu rechnen. Gewisse Überlegungen sprechen dafür, daß der französische Staatspräsident das Paket aus Washington nicht glattweg zurückweisen, sondern aufschnüren und im einzelnen auf seinen Inhalt prüfen wird, denn nicht alle Elemente des amerikanischen Vorschlages sind für Frankreich schlechterdings unannehmbar. Man darf deshalb vermuten, daß sich ein angeregter Meinungsaustausch anbahnen wird, in dessen Verlauf sich de Gaulle zweifellos eigene Initiativen vorbehält.

Aus Macmillans Fehlern gelernt

Zunächst darf der französische Staatschef das Polaris-Angebot Kennedys an Großbritannien und Frankreich als eine bedingte de-facto-Anerken-nung der französischen Atommacht werten. Ferner bestätigt die Skybolt-Schlappe Macmillans seine Theorie, wonach ein Staat seine außenpolitische Souveränität aufs Spiel setzt, wenn ei sich in Fragen der nuklearen Selbstverteidigung auf andere Mächte verläßt. Im Lichte dieser beiden Lehren aus dem Jahresende 1962 gilt es nun in Paris zu überprüfen, ob die gesteckten Ziele bereits erreicht sind.

Diese Frage hat in erster Linie politischen Gehalt. Der französische

Armeeminister Pierre Messmer hat in einem Interview für das deutsche Fernsehen erneut den Willen Frankreichs unterstrichen, sich eine autonome Force de frappe zu geben; und dies im Hinblick auf die Möglichkeit, daß die Vereinigten Staaten in fünf oder zehn Jahren „andere Ideen als wir über die Verteidigung Europas vertreten und sich weniger entschlossen zeigen könnten, als in der Kuba-,,Affäre“. Diese Autonomie setzt natürlich eine völlige Entscheidungsfreiheit über den Einsatz der Force de frappe voraus; ein Punkt, über den die Vereinbarungen von Nassau nach französischer Auffassung nicht genügend Klarheit gebracht haben. Im übrigen wird in Paris nach wie vor darauf hingewiesen, daß aus analogen politischen Überlegungen auch die Vereinigten Staaten nicht bereit sind, ihre nuklearen Streitkräfte der NATO zu unterstellen.

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