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Steuerexperiment
Seit einigen Tagen liegt die endgültige Fassung der Steuerreform vor, wie sie Anfang Juli im Nationalrat beschlossen werden wird. Ihre Väter sehen darin ein ,Jahrhun-dertwerk“.
Auch wenn man als Betroffener zu einer etwas nüchterer en Betrachtungsweise neigt, wird man den Schöpfern die Anerkennung nicht versagen können. Für ein Jahrhundertwerk sind mir zwar persönlich zu viele unverständliche Schnitz drinnen — man denke nur an die unglückliche Regelung mit den Diäten. Das Hauptanliegen, die Senkung der Steuersätze bei gleichzeitiger Durchforstung der Ausnahmebestimmungen, wurde aber erstaunlich wenig verwässert.
Lob verdient auch der Ansatz, zunächst Einnahmenverluste hinzunehmen, um dann mittelfristig über die dadurch ausgelöste Stimulierung der Wirtschaft wieder zu höheren Steuereinnahmen zu kommen. Zusätzliche Einnahmen, die also nicht — wie in der Vergangenheit — aus zusätzlichen Belastungen, sondern aus der Steigerung der Wirtschaftskraft der gesamten Volkswirtschaft stammen.
Schon im eigenen Interesse sollten also unsere besten Wünsche die wackeren Steuerreformer auf ihren Weg in die nächsten Jahre begleiten. Für den Ausgang derartiger Steuerexperimente gibt es nämlich positive wie negative Beispiele.
Das bekannteste positive Beispiel ist die erste große Steuerreform des legendären Reinhard Karnitz nach dem Zweiten Weltkrieg. Das jüngste negative Beispiel die gerade beschlossenen Steuererhöhungen in der Bundesrepublik Deutschland. Noch ehe alle Erleichterungen bei der Lohn- und Einkommensteuer in Kraft getreten sind, werden dort einige Verbrauchsteuern (so zum Beispiel auf Benzin, Tabak, Heizöl) und der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung massiv erhöht.
Obwohl Geld bekanntlich kein Mascherl hat, versucht der deutsche Finanzminister dem Steuergeld ein solches umzuhängen: Die Erhöhung der Verbrauchsteuern hätte absolut nichts mit der Senkung der Lohn- und Einkommensteuer zu tun. Man brauche die neuen Einnahmen bloß zur Finanzierung der Europäischen Gemeinschaft (Nachtigall, ich hör' Dich trapsen!), gewisse Erhöhungen seien auch im Hinblick auf die Steuerharmonisierungsbemühungen in der EG unvermeidlich, und im übrigen seien die Energiepreise derartig gesunken, daß die Konsumenten da schon einen kräftigen Nachschlag vertrügen.
Außer unseren guten Wünschen wird also auch erhöhte Wachsamkeit die Steuerreformer hierzulande begleiten müssen.
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