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Todsünden ä la Austria

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Professor Konrad Lorenz, seit Jahren wieder erster Nobelpreisträger aus Österreich, hat die Diskussion über den Umweltschutz wieder angeheizt. Mit seinem Bekenntnis gegen den Ausbau der Donau zur Wasserstraße und gegen den Bau weiterer Donaukraftwerke („Die Donau droht, eine Kloake zu werden“) scheint sich (zusammen mit der Energieproblematik) eine neue Phase der heimischen Umweltschutzdiskussion anzubahnen. Ist aber die Bremsung des Wirtschaftswachstums in Österreich -— angesichts seiner Schlußlichtposition in der westeuropäischen Volkswirtschaftsstatistik — realistisch?

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Professor Konrad Lorenz, seit Jahren wieder erster Nobelpreisträger aus Österreich, hat die Diskussion über den Umweltschutz wieder angeheizt. Mit seinem Bekenntnis gegen den Ausbau der Donau zur Wasserstraße und gegen den Bau weiterer Donaukraftwerke („Die Donau droht, eine Kloake zu werden“) scheint sich (zusammen mit der Energieproblematik) eine neue Phase der heimischen Umweltschutzdiskussion anzubahnen. Ist aber die Bremsung des Wirtschaftswachstums in Österreich -— angesichts seiner Schlußlichtposition in der westeuropäischen Volkswirtschaftsstatistik — realistisch?

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Österreich hat eine geringe Bevölkerungsdichte und liegt in punkto Bewaldungsgrad im europäischen Spitzenfeld; dazu kommt noch, daß der Anteil der Land- und Forstwirtschaft im Vergleich zu anderen europäischen Ländern in Österreich wesentlich höher ist. Wenn Österreich also zwar keine Insel der Seligen ist, so besteht in unserem Lande dennoch eine weitaus größere Chance, eine umweltzerstörende Entwicklung in den Griff zu bekommen; dabei darf je-

doch die Abhängigkeit Österreichs nicht übersehen werden, die sich in den letzten Tagen vor allem in einer Verknappung von Erdölprodukten manifestierte.

Österreich ist dank seiner spezifischen Situation nicht gezwungen, rasch Lösungen treffen zu müssen, sondern hat die Möglichkeit, ohne Zeitdruck Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Dadurch besteht auch die Chance, langfristige Finanzierungskonzepte in Ruhe und unter Zuhilfenahme einer breiten Diskussion zu entwerfen.

Immerhin zeigen Studien über Lebensqualität (nicht nur über „Lebensstandard“), daß Österreich auf dem besten Wege ist, mit anderen Ländern gleichzuziehen: im Jahre 1957 lag Österreich — gemessen am deutschen Standard — knapp unter dem Niveau von Frankreich; Italien lag viel tiefer. 1970 lag Österreich

vor Frankreich und überholte gerade Belgien. Bis 1975 dürfte sich diese Entwicklung fortsetzen.

Die Frage Wirtschaftswachstum oder Umweltschutz ist also auch in Österreich aktuell, kann aber zur Zeit bestenfalls über „den Daumen“ beantwortet werden.

Insbesondere aus dem Grund, weil es in Österreich noch immer keine umfassende Bestandsaufnahme des Verschmutzungsgrades, der Sicherung der Erholungsräume, der hygienischen Abfallbeseitigung, der

Lärm- und Geruchsbelästigung gibt. Solange hier keine grundlegenden Daten vorliegen, muß sich die Diskussion entweder auf einer rein akademischen oder aber auf einer parteitaktisch-tagespolitischen Ebene abspielen. Was also in Österreich derzeit not tut, ist nicht die überstürzte „Setzung von Aktionen“, sondern eine solide Erfassung des Status quo mit all seinen Aspekten.

Die Zeit sollte aber mittlerweile genützt werden, denn die drohende Umweltvernichtung hat auch noch eine weitere — tiefere — Dimension. Professor Lorenz meint in seinen „Acht Todsünden“ für die zivilisierte Menschheit: „Die allgemeine und rasch umsichgreifende Entfremdung von der lebenden Natur trägt einen großen Teil der Schuld an der ästhetischen und ethischen Verrohung der Zivilisationsmenschen.“

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