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Traum von acht Sitzen

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Der Geologe Alexander Tollmann (Bild) will mit seinen „Vereinten Grünen Österreichs“ bei den Wahlen am 24. April gleich acht Mandate. Pro erträumtem Mandat hat er derzeit 25.000 Schilling Wahlkampfbudget ‘ zur Verfügung. Realistisch?

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Der Geologe Alexander Tollmann (Bild) will mit seinen „Vereinten Grünen Österreichs“ bei den Wahlen am 24. April gleich acht Mandate. Pro erträumtem Mandat hat er derzeit 25.000 Schilling Wahlkampfbudget ‘ zur Verfügung. Realistisch?

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FURCHE: Herr Prof. Toll- JL mann, halten Sie eine eigene grüne Partei fiir sinnvoller als eine überparteiliche Bewegung, die in alle Lager hineinwirkt?

TOLLMANN: Wir sind über diese Überlegungen lange hinaus. Wir haben gesehen, es nützt überhaupt nichts, wenn verzweifelte Bürgerinitiativen — in Steyregg etwa — über ein Jahrzehnt kämpfen, und nichts geschieht. Es hilft gar nichts, es wird soviel zerstört, man muß den anderen Weg probieren. Wenn er nicht zum Erfolg führt, wenn das Volk das nicht begreift, dann ist die Zeit eben noch nicht reif gewesen. Für uns ist sie überreif, weil wir sehen, daß derzeit nicht wieder gutzumachende Prozesse vor sich gehen.

Wenn man Dürnrohr in der Form wie jetzt hinbaut, wenn das Waldabsterben so weitergeht, wenn eine solche Schuldenpolitik weiterbetrieben wird, wenn die Demokratie so mit Füßen getreten wird, daß man Volksabstimmung und Volksbegehren hinschmeißt, wenn sie einem nicht in den Kram passen, und wenn all diese Unaufrichtigkeiten so weitergehen, dann sind das Prozesse, die allmählich zu einer echten Katastrophe führen. Wir wollen nicht zuschauen.

FURCHE: Wer finanziert Sie?

TOLLMANN: Nicht die SPÖ, wie in letzter Zeit mutwillig ein Gerücht ausgestreut worden ist. Die Finanzierung erfolgt auf der gleichen Basis wie im Atomkampf. Wir haben Zeitschriften ausgeschickt und Erlagscheine beigelegt. Durch die Spenden dieser Erlagscheine ist nicht nur die Zeitschrift gedeckt worden, sondern schließlich die dreifache Menge der Kosten hereingekommen.

Die Spenden betragen bis jetzt nicht ganz 200.000 Schilling, womit man natürlich nie einen Wahlkampf über Österreich führen könnte. Es ist einfach die freiwillige Mitarbeit, daß über das ganze Land Leute bereit sind, aus eigenem Zeitaufwand das zu ersetzen, was an Geld fehlt.

FURCHE: Was ist Ihr Wahlziel?

TOLLMANN: Wenn ein Mandatar drinnensteht, ist er ein armer Teufel, mit fünf kann man einen Klub machen, bei acht — das wäre das Ziel an sich — kann man

Anträge stellen. Dann würden wir jene Anträge auf Gesetze stellen, die unser Land dringend nötig hat. Und ich möchte sehen, ob die Großparteien Anträge, die wohlbegründet sind, die zeigen, wo der Ausweg liegt und wie man ihn finanzieren kann, eine ganze Legislaturperiode ablehnen. Das würde ihnen sehr schaden.

FURCHE: Glauben Sie, daß Sie beim Wähler nur mit Umweltschutz ankommen, oder haben Sie auch Konzepte für die übrige Politik?

TOLLMANN: Die haben wir natürlich. Wir wissen auch, wie man l Arbeitsplätze auf Dauer schaffen kann, nicht, indem man in verpfuschte Unternehmen jährlich Milliarden hineinpulvert, die verloren sind. In unserem Programm steht Umweltschutz an zweiter Stelle, an erster steht die Politik. Denn hier sind überall Lücken, in denen einige wenige Gesetze, ein paar unabhängige Kontrollinstanzen, Wunder wirken können. Manche glauben, daß alternative Bewegungen, siehe Deutschland, Sand ins Getriebe

für das Parlament sind. Wir wollen das Gegenteil, wollen Schmiermittel für das Parlament

sein.

FURCHE: Darf man von einer grünen Partei erwarten, daß sie zu heiklen Fragen der letzten Jähre Stellung bezieht?

TOLLMANN: Das ist ganz klar. Selbstverständlich sammeln sich in unseren Reihen jene, die für die Grundwerte eintreten, die wir in unserem Programm als Hauptpunkte vorangestellt haben, also bestimmte Fragen des Umweltschutzes und der echten direkten Demokratie. Die sind von allen anerkannt. Darüber hinaus wird es Punkte geben, wo man verschiedene Meinungen haben kann.

FURCHE: Es würde bei Ihnen also keinen Klubzwang geben?

TOLLMANN: Sicher nicht. Das ist ein deutlicher Unterschied zu den etablierten Parteien, aber auch zu den Alternativen, die ja das Mandat so vergeben wollen, daß absolut das gesagt werden muß, was in den Basisgruppen abgestimmt wird, und der Mandatar keine eigene Meinung formulieren darf.

FURCHE: Wie steht zum Beispiel der Kandidat Tollmann zur Fristenregelung?

TOLLMANN: Persönlich glaube ich, daß kein Grüner für die Tötung von Leben sein kann, und es ist Leben, das getötet wird. Ich wäre absolut und lOOprozentig für eine Gesetzesänderung in eine Richtung, daß man spezielle Situationen, die Ausnahmen ermöglichen, berücksichtigt, aber ansonsten es nicht einfach terminmäßig freigibt.

FURCHE: Wie stehen Sie zum Bundesheer?

TOLLMANN: Ich bin zutiefst Pazifist, ich hab’ den Nazismus, die Greuel des Krieges erlebt, hasse nichts mehr als eine Waffe, finde aber nicht, daß die Lösung darin liegt, daß wir und Westeuropa die Waffen von heute auf morgen wegwerfen.

Mit Univ.-Prof. Tollmann sprach Heiner Boberski.

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