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Um ein Krisenmanagement

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Der Weg, den die österreichische Bundesregierung zur Befreiung der Geiseln am Schwechater Flughafen beschritten hat, wird allenthalben als „österreichischer Weg“ bezeichnet. Dieser führte inzwischen geradlinig zu österreichischen Diskussionen. Die grundsätzlichen Überlegungen und internationalen Stellungnahmen zu den Zugeständnissen der Bundesregierung an die beiden arabischen Terroristen werden längst von Binnendiskussionen überschattet und verdrängt. Und den cleveren Parteistrategen geht es nur noch darum, über den Umweg nach Schloß Schönau die wahlentscheidenden Zehntelprozent einzubringen. Bei den knapp bevorstehenden Landtagswahlen in Oberösterreich und Wien.

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Der Weg, den die österreichische Bundesregierung zur Befreiung der Geiseln am Schwechater Flughafen beschritten hat, wird allenthalben als „österreichischer Weg“ bezeichnet. Dieser führte inzwischen geradlinig zu österreichischen Diskussionen. Die grundsätzlichen Überlegungen und internationalen Stellungnahmen zu den Zugeständnissen der Bundesregierung an die beiden arabischen Terroristen werden längst von Binnendiskussionen überschattet und verdrängt. Und den cleveren Parteistrategen geht es nur noch darum, über den Umweg nach Schloß Schönau die wahlentscheidenden Zehntelprozent einzubringen. Bei den knapp bevorstehenden Landtagswahlen in Oberösterreich und Wien.

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Mögen die ausländischen Zeitungen, die internationale Presse — sie wissen mit Verteidigungsminister Karl F. Lütgendorf schon, warum! — Österreich auch angreifen, mag unser Land auch international an Ansehen verloren haben, entscheidend scheint die Ummünzung in' einen innenpolitischen Erfolg.

Dabei wäre dieser konkrete Anlaßfall gewichtig genug, die Außen- und Wehrpolitik Österreichs zu überdenken — und daraus Schlüsse zu ziehen. Zumindest für die Zukunft.

Da gibt es ein von allgemeiner Wehrpflicht getragenes Bundesheer, von dem ausländische Zeitungen unwidersprochen vermelden, es sei bis 1976 nicht einsatzfähig; da gibt es Pläne, dieses Heer umzustrukturieren, wobei das dazu notwendige Kaderpersonal nicht gefunden werden kann. Tendenziell wird diese Wehrpolitik immer weiter verdünnt: So etwa in den Argumentationen für den Bau von Bürohäusern und einem Konferenzzentrum am Ufer der Donau, als eigentlichem Beitrag zur Selbstverteidigung Österreichs; oder

durch die Vernachlässigung einer wirtschaftlichen Vorsorge für einen eventuellen Krisenfall: pflanzliche Öle und Fette werden zu 95 Prozent importiert, 50 Prozent der im Inland benötigten Steinkohle bezieht Österreich allein aus der DDR, die Heiz-clvorräte reichen für maximal fünf Wochen und die Österreichischen Bundesbahnen sind zum Großteil auf ausländisches rollendes Material angewiesen.

Als so ziemlich einzige Vorsorge für einen wirtschaftlichen Krisenfall wurden bis jetzt Lebensmittelkarten gedruckt. Ob man freilich im Ernstfall dafür wirklich etwas zu essen bekommt, wird auch von offiziellen Stellen als fraglich bezeichnet.

Auch die Außenpolitik, die immer wieder als bester Garant für die Sicherheit dieses „kleinen und militärisch schwachen Landes“ (Richard Nixon) ins Treffen geführt wurde, ist nicht unbestritten. So manche Aktion der letzten Zeit, wie etwa die Mitgliedschaft im UNO-Sicherheitsrat oder die lang andauernden Bemühungen Österreichs, das Nah-

ostproblem auf die Tagesordnung der Sicherheitskonferenz zu bringen, brachten neben (in Zukunft vielleicht unlösbaren) Aufgaben nur einen außenpolitischen Soletti-Effekt mit sich: immer dabei.

Österreich ist — und das ist das eigentliche Ergebnis des Anschlages auf den Auswanderertransport — für einen Krisenfall nicht gerüstet. Unser Land wird, egal, wer oder was da kommen möge, im Falle einer Bedrohung wieder in der gleichen Situation sein wie an jenem Freitag, als in Marchegg der internationale Imageverlust Österreichs begann.

Wie die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos.

Daher sollte die ergebnislose Aufrechnung Von geretteten Menschenleben mit der Haltung eines Staates, der unvergleichliche Vergleich von befreiten Geiseln und Ministerratsbeschlüssen, egal, wie diese zustande gekommen sind, beendet werden. Die freiwerdenden Energien könnten und sollten für die Aufstellung eines „Notstandsplanes“ verwendet werden.

Dieses funktionierende Modell eines Krisenmanagements müßte alle denkmöglichen Krisenfälle und Eventualitäten berücksichtigen und sollte für den Fall einer Geiselnahme etwa folgendes enthalten:

• Die Verbreiterung der Entscheidungsbasis durch Einbeziehung aller parlamentarischen Parteien.

• Die Verklammerung eines aktuellen Krisenstabes mit einem in Permanenz tagenden parlamentarischen Ausschuß.

• Die genaue Festlegung der zentralen Befehlsgewalt über die verschiedenen Exekutivorgane des Bundes und der Länder.

• Die Ausarbeitung eines genauen Kommunikationsplanes im Inland;

• aber auch auf diplomatischer Basis, zur jederzeitigen Herstellung eines internationalen Konsensus.

• Die Festlegung eines effektiven Einsatzmodelles von Experten (Psychologen, Dolmetsche, Piloten usw.).

• Aufstellung eines Planes zur sofortigen Sicherung gefährdeter Einrichtungen, um die Ausweitung einer Krise zu verhindern.

Darum geht es also: die österreichische „Schönwetterdemokratie“ wetterfest zu machen.

Um Mißverständnisse auszuräumen: es geht für den Krisenfall — derartiges kennt man ja — niaht um eine Dispensierung des Verfassungsrechtes. Man strebt nicht zweierlei Recht an, eines für Normalzeiten, ein zweites für politische Schlechtwetterfronten. Der Rechtsstaat, die liberale Demokratie muß auch — gerade im Fall der erheblichen Störung oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung — Verfassungsstaat bleiben, die Grundrechte müssen unangetastet sein. Daher die Forderung, Vorsorge zu leisten. Und zwar für jede potentielle Gefährdung des Staates. Egal wer, was, warum und von wem in und von Österreich erpressen will.

Vielleicht sollte man — ein gängiges Schlagwort der Regierung mutierend — die Österreicherinnen und Österreicher wirklich einmal fragen, was ihnen dieses Land eigentlich tatsächlich-wert ist?

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