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Verbraucher halten sich zurück

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Nicht aus Sympathie zu den Grünen, sondern aus Vorsicht konsumieren die Deutschen weniger. Kaum verändert ist das Medienverhalten: Junge Leute lesen zwar weniger, sehen aber mehr fern.

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Nicht aus Sympathie zu den Grünen, sondern aus Vorsicht konsumieren die Deutschen weniger. Kaum verändert ist das Medienverhalten: Junge Leute lesen zwar weniger, sehen aber mehr fern.

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Die Konsumindikatoren in der Bundesrepublik Deutschland stehen auf Tief. Die Einzelhandelsumsätze sind im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um real vier Prozent rückläufig, die Sparquote — Gradmesser für die Unsicherheit der Verbraucher — verharrt auf dem hohen Niveau von 16 Prozent.

Die Stimmung der Verbraucher, die mehr und mehr als der verläßlichste Indikator der künftigen Entwicklung des Brutto-So-zial-Produkts erkannt wird, signalisiert noch keine Erholung: 52 Prozent der Bevölkerung rechnen zur Zeit mit einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage, während lediglich zehn Prozent die künftige Entwicklung optimistisch beurteilen. Erstmals seit Jahrzehnten ist heute in der Bevölkerung die Gruppe, die über sinkende Realeinkommen berichtet, weitaus größer als die Gruppe, die ihren finanziellen Spielraum in den letzten zwölf Monaten ausdehnen konnte.

Angesichts des hohen Lebensstandards in der Bundesrepublik brauchen stagnierende oder sogar sinkende Realeinkommen für die Bevölkerung nur in Ausnahmefällen eine Härte, ernsthaftere Engpässe bei den Ausgaben, zu bedeuten. So ist denn auch die Verknappung der Ressourcen in ihrer Auswirkung auf die Dispositionen der Verbraucher geringer zu veranschlagen als die psychologischen Mechanismen, der verbreitete wirtschaftliche Pessimismus.

Betroffen sind hier nahezu alle Konsumbereiche. Besonders in bezug auf größere Anschaffungen und langfristige Anlagen ist eine deutlich gewachsene Zurückhaltung der Konsumenten festzustellen. Der Kreis, der Kauf- oder Baupläne für ein Haus oder eine Eigentumswohnung hat, ist in den letzten Jahren deutlich gesunken.

Auf dem Pkw-Sektor neigen die Pkw-Verbraucher zu einer längeren Haltung des eigenen Pkws, zum Hinausschieben ihrer Anschaffungspläne und teilweise zur Substitution eines geplanten Neuwagens durch einen Gebrauchtwagen. Zugenommen hat die Sparbereitschaft auch bei den Ausgaben für Urlaub und Freizeit, Energie und Kleidung, während Ausgaben für den alltäglichen Bedarf noch relativ schwach betroffen sind.

Die Konsumzurückhaltung darf keineswegs als Konsumfeindlichkeit interpretiert werden. Allgemein verbreiteter Pessimismus und die Sättigung auf manchen Märkten bedingen diese Zurückhaltung, nicht jedoch eine neue ideologische Konsumabge-wandtheit. Das Erstarken der grünen Bewegung in der Bundesrepublik hat auf das Konsumverhalten bisher keine nennenswerten Auswirkungen.

Das Medienverhalten zeigt sich durch die wirtschaftliche Entwicklung relativ wenig beeinflußt. Die Reichweiten von Werbefunk, Werbefernsehen und Zeitungen sind weitgehend stabil, bei den Zeitschriften ist eine unterschiedliche Entwicklung von wöchentlichen Titeln und Titeln mit längeren Erscheinungsintervallen festzustellen.

Während bei den wöchentlichen Titeln Reichweitensteigerungen festzustellen sind, mußten Titel mit größeren Erscheinungsintervallen vielfach Einbußen hinnehmen.

Das Werbefernsehen — dies kein neuer, sondern ein für die Bundesrepublik und für Österreich wiederholt nachgewiesener Befund — verfügt über ein Publikum, in dem die älteren, kaufkraftschwächeren Bevölkerungsschichten überproportional vertreten sind, während die Print-Medien die kaufkraftstarken Bevölkerungsgruppen und die höheren Bildungsschichten besonders anziehen.

Die Struktur der Print-Medien-Nutzer zeigt in der langfristigen Betrachtung allerdings eine Schwächung in der jungen Bevölkerung. Dieses Ergebnis ergänzt amerikanische Forschungen, die als langfristige Folge des Fernsehens eine Schwächung von Lese-Interesse und Lese-Fähigkeit befürchten lassen.

In der Bundesrepublik sank im Laufe der siebziger Jahre die Zeit, die 14- bis 19jährige mit einer Tageszeitung verbringen, von 27 auf 17 Minuten am Tag. Auch der Kreis der jungen Zeitungsleser insgesamt ist rückläufig.

Eine langfristige Schwächung der Lesekultur würde jedoch nach dem aktuellen Erkenntnisstand alle Medien beeinträchtigen, jeden Absender von Informationen. Das Gedächtnis, die Speicherung von Informationen, wie ihre Einordnung, das Denken in Zusammenhängen, werden von den Print-Medien weitaus besser trainiert als von anderen Medien.

Es läßt sich nachweisen, daß Leser besser als Nicht-Leser Fernseh-Informationen behalten. Während in den Aufmerksam-keits- und Unterhaltungswerten die Stärke des Fernsehens liegt, sind langfristige Lerneffekte die Stärke der Print-Medien. Ein Rückgang des Lesens würde daher die allgemeine Schwächung der Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten und zu behalten, bewirken und damit alle Medien wie auch die gesamte Gesellschaft schädigen.

Die Autorin ist Mitarbeiterin des Allensbacher Instituts für Demoskopie. Ihr Beitrag ist die Kurzfassung eines Vortrags, den sie im Oktober vor der International Advertising Association in Wien gehalten hat.

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