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Im Geiste der Ehrfurcht und Unabhängigkeit

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Den folgenden Brief schrieb Hugo von Hofmannathal vor genau SO Jahren an den Minister von Härtel

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Den folgenden Brief schrieb Hugo von Hofmannathal vor genau SO Jahren an den Minister von Härtel

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Ew. Exzellenz

lassen mir durch Herrn Hermann Bahr die gütige Aufforderung übermitteln, ich möge midi darüber äußern, in welchem Umkreis, abgesehen von meiner eigentlichen poetischen Produktion, mir eii.e Betätigung angeborener und erworbener geistiger Fähigkeiten im öffentlichen Dienste möglich und wünschenswert schiene...

Demjenigen, der in der Kunst arbeitet, liegt es nahe, sich sowohl über seine eigene Kunst, als über die übrigen Künste eine mehr oder minder tiefgehende Rechenschaft geben zu wollen; er zieht das Eigentümliche, die Existenzbedingungen der Produzierenden in den Kreis seines Nachdenkens, sodann das Verhältnis des Künstlers zur Epoche. Die Beziehungen der Künste untereinander werden ihm allmählich klar, und von dem titanischen Gedanken der Verschmelzung aller in eine bis herab zur dilettantischen Verwirrung ihrer Grenzen sucht er sich dies Einanderzustreben der Künste in ein Schema zu bringen. Nun wird ihm, aus eigener Erfahrung, der Begriff des „Publikums“ fühlbar, daneben tritt der abgeleitete der .Publizität“.

Daß Künste wirken wollen und sollen, ist von Anfang an klar; daß sie einer reinen Wirkung nur unter sehr günstigen Bedingungen fähig sind, wird erst der gereifteren Anschauung .deutlich.

Hier nun scheint der Raum gelassen zu sein für ein Amt oder eine Gruppe von Ämtern; und in der Tat sehen wir solche Ämter bestehen, in höfischen, in staatlichen, ja in privaten Formen, vom Intendanten, der einem fürstlichen Hofhalt ein edles Vergnügen zu verschaffen bestrebt ist, bis zum Kustoden, der den Genuß eines schönen Bildes im abgeschlossenen Raum dauernd ermöglicht; und es sind der Ämter vielerlei und ihre Beziehungen wechselnd.

Nun scheinen wir — dergleichen muß ausgesprochen und muß doch mit Zurückhaltung ausgesprochen werden — im Anfang einer Epoche zu stehen, die keine jetzige Form ganz unberührt weiterbestehen lassen will. Institutionen erweisen sich von innen heraus als unzulänglich, die Einzelnen fühlen ihre Existenzform durchgerüttelt von den inneren Sdiwankungen des Ganzen. In einem solchen großen Zustand verhält sich die künstlerische Produktion empfindlich wie die Magnetnadel des Seismographen, und die in Amtern und Funktionären angesammelte Routine wirkt hemmend und zerstörend, indem sie sich bestrebt, zu schützen und zu fördern.

Ein Zustand dieser Art scheint gegenwärtig in gewissen auswärtigen Staaten von maßgebenden Personen ungefähr durchschaut zu werden. Man ist bestrebt, Leute heranzuziehen, die in diesen Dingen, das Zusammengesetzte analytisch und das Zerstreute synthetisch anschauend, der Routine entgegenzuwirken vermögen, und nicht mit Unrecht sucht man diese Leute unter den Jüngeren, die in sich das psychische Korrelat der noch undefinierbaren Kunstveränderung durchgemacht haben können.

Auf die Frage, was ich einem solchen Amt entgegenzubringen mich vermesse, würde ich mit völliger Weglassung eines üblichen inneren und äußeren Curriculum vitae etwa folgendes angeben:

Aus der eigenen Tätigkeit, der bei jugendlicher Unreife eine gewisse Intensität nicht abzusprechen ist, ergibt sich ein lebendiges verwandtschaftliches Verstehen der Schaffensbedingungen darstellender und bildender Künstler; inwiefern Umgebung und Umstände dieselben fördern oder schädigen usf. bis zum Begriff einer gewissen Therapeutik der Künstlerseele, welche gerade vom Amte aus nicht vernachlässigt werden darf.

Aus dem eigenen Erlebnis', Anerkennung gesucht und hie und da erfahren, Abweisung und Verkennung gleichfalls gefühlt zu haben, ergibt sich als ein korrelater Begriff zur Produktion jener des .Kunstbedürfnisses': wo es zu suchen, wie zu wecken und wie zu befriedigen wäre. Hiebei handelt es sich um ein so vielfach differenziertes Eingehen auf soziale Gruppen, auf Traditionen, daß das Gesamte der individuellen Erfahrung herangezogen werden muß; nämlich vielfacher, durch komplexe Umstände herbeigeführter Verkehr mit Angehörigen der verschiedensten Lebenskreise, vielfacher und ausgedehnter Aufenthalt in anderen Kulturländern und ein tiefeingewurzelter Hang, kulturelle Zusammenhänge zu begreifen und meine Bildung in dieser Richtung zu erweitern.

Eine solche vermittelnde Tätigkeit wird jedoch nicht ohne eine gewisse Systematik denkbar sein: nicht ohne lebhafte Einsicht in den Wert des Administrativen. Auf einen Zentralismus, wie er bis jetzt nodi nicht geübt wurde, hinzuarbeiten, wird die innerste Tendenz sein: denn eine lebhafte Einigung der Produzierenden ruft die hohe Atmosphäre der Kultur hervor: ein gewisser geistiger Zentralismus ist es im Kern, was ups in glänzenden Epochen der Kunst so fruchtbar entgegentritt.

In einer Werhselnähe der Künste mit Takt und Sicherheit aufzutreten, dürfte als ein Selbstverständliches nur dem Dichter gegeben sein, als demjenigen, der jeder Betätigung gerecht zu werden im Tiefsten berufen ist.

Daß die Kunst ja auf das Ganze der Existenz geht, ist die Formel, die jenen Zentralismus der Administration rechtfertigt und fordert.

So im allgemeinen gefaßt erscheinen ein zu Vermittelndes: das Kunstschaffen, ein Aufnehmendes: das Publikum, eine Form des Vermitteins: die amtlich-zentra-listische, annähernd umschrieben.

Der Geist, in welchem eine solche Tätigkeit ergriffen werden müßte, wäre ein Geist der Ehrfurcht und ein Geist der Unabhängigkeit, da es sich um unwägbare Güter handelt. Die Form, in welcher dieser Geist, diese Gesinnung und die vorhandenen Kräfte eingesetzt werden müßten, könnte nur eine solche sein, in welcher das Maß des zu Leistenden und des Geleisteten, keineswegs die im Amte hingebrachte materielle Zeit beachtet wird.

Wenn auch die Umstände dem Einzelnen die erwünschteste Betätigung, die unter dem Himmel der geliebten und unendlich ehrwürdigen Heimat, nicht immer gestatten, 60 ist es 6chon wohltuend, nicht ganz im Vaterland der wohlgesinnten Aufmerksamkeit entbehren zu müssen, wofür im gegenwärtigen Falle Eure Exzellenz den Ausdruck meiner aufrichtigen DankÄrkeit genehmigen wollen.

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