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Vom Wesen der Dichtung

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Zu dem Buch „Zwischen Dichtung und Philosophie“ von Johannes Pfeiffer. Johs. StormVerlag, Bremen. 223 Seiten

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Zu dem Buch „Zwischen Dichtung und Philosophie“ von Johannes Pfeiffer. Johs. StormVerlag, Bremen. 223 Seiten

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Johannes Pfeiffer hat sich durch eine Reihe wertvoller Veröffentlichungen auf den Gebieten der Philosophie und der Literaturwissenschaft einen geachteten Namen geschaffen. Erinnert sei hier nur an die Bücher „Existenzphilosophie* (1933) und .Umgang mit Dichtung* (1936). Pfeiffer, ein Schüler Edmund Husserls, hat von der Existenzphilosophie und der Phänomenologie wichtige Anregungen empfangen.

DeT vorliegende Band enthält Aufsätze aus den Jahren 1934 bis 1947, die als Zeitschriftenbeiträge oder als Broschüren und Vorworte bereits früher erschienen. Dichtung und Philosophie sind ihre Themen, aber auch ihre Methode geht sowohl von dichterischen als auch von philosophischen Kriterien aus. Der Autor 6agt selbst im Vorwort, die Absicht dieser Aufsätze 6ei .weniger eine literarhistorische, denn eine literar-philosophische*. Es gibt heute wenige Literaturwissenschaftler, die es so vortrefflich wie Pfeiffer verstehen, das Wesen einer Dichtung methodisch zu erschließen. Der erste knappe Aufsatz „Grundsätzliches über den Umgang mit Dichtung“ zeigt klar die Wege, die zu tieferem Verstehen literarischer Werke führen. Der Autor hat deutlich erkannt: .Zwischen intellek-tualisierender Zergliederung und dumpfer Gefühlsschwelgerei gilt e6, den schmalen Weg einer Wesenserhellung zu gehn, die auf da6 Dichterische dienend und deutend hinweist, ohne es in seinem Eigensein anzutasten.“ (S. 5.) Dichtung ist für ihn „sinnbildliche Erhellung des Seins“ und „ein Aufruf zur Wesenhaftigkeit“ (S. 8). Sie offenbart die metaphysische Bezogenheit des Menschen und läßt in den endlichen Dingen das Ewige aufleuchten. Pfeiffers Literaturdeutung hält 6ich von der doktrinären Einseitigkeit, der heute viele Kritiker verfallen sind, ferne. Er hat nichts zu schaffen mit dem „Dilettantismus“, dem nur der „Inhalt“ wichtig ist und der die Form als bloße Schale betrachtet, aber auch nichts mit dem nur formalistischen „Ästhetizismus*. Gehalt und Gestalt sind ein Ganzes. In diesen fünfzehn Aufsätzen beweist Pfeiffer die Universalität und Tiefe seiner Methode, die philosophisch, psychologisch und ästhetisch wohl fundiert ist. Ob er nun über Gryphius oder über Claudius schreibt, über Rückert oder über Schröder, über Weinheber oder über das geistliche Gedicht, über Kant oder über Kierkegaard, immer erfaßt er mit großer Sicherheit das Wesentliche und leitet aus der Betrachtung der einzelnen Werke grundlegende Einsichten ab. Seine Interpretationen einzelner Gedichte (wie etwa des „Abendliedes“ von Matthias Claudius) zeichnen 6ich durch feine Einfühlung, subtile Analyse und ein ungewöhnliches Verständnis für die Nuancen dichterischer Stilmittel aus. Dabei wird nichts zerpflückt, und die Einheit de6 Ganzen bleibt immer gewahrt. Der Leser wird auf Schönheiten aufmerksam, die ihm bisher entgangen 6ind. Wichtige literar-ästhetische Erkenntnisse bieten die Aufsätze Das Dichterische“, „Ton und Gebärde in der Lyrik“ und „Sinn und Grenze der Dichtung“. Dieser letzte Aufsatz deutet, von der Interpretation einer Erzählung Hebels ausgehend, außerordentlich fein das Wesen der Dichtung und ihre Bedeutung im Ganzen de6 Daseins. Jeder, der für die unvergänglichen Werte der Dichtung aufgeschlossen ist, wird aus diesem Buch reiche Anregungen schöpfen. Besonders aber 6ei e6 den Literaturkritikern empfohlen, da es in 6ehr verdienstvoller Weise dazu beiträgt, die einseitige Orientierung der Kritik zu überwinden.

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