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Zeitnot der Jugend im Spiegel des Films

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Das Jugendfilmpreisausschreiben des Bundesministeriums für Unterricht ist dieser Tage mit der Verteilung der Preise abgeschlossen worden.

Die Einsendungen spiegelten in ihrer Gesamtheit getreulich das Bild wider, das für die allgemeine Situation in der Filmproduktion der Gegenwart bezeichnend ist. Es zeigte sich auch hier, daß das Problem der Filmkrise in erster Linie als eine Krise des Autors, das heißt der Gesinnung, der Idee, also als eine geistige Krise schlechthin bezeichnet werden muß. Dieselben Voraussetzungen und Motive, die bei der Abfassung von Filmstoffen auch sonst zutreffen, dürften im wesentlichen auch hier vorherrschend gewesen sein: das Gros der Verfasser eines Filmstoffes erwartet sich von seiner Tätigkeit in erster Linie ein lukratives Geschäft. Für sie ist der Film ein industrielles Fabrikat, das nach gewissen Rezepten „gebaut“ und konstruiert wird. Was hier herauskommt, müssen keine verwerflichen oder schlechten Filme sein; im Gegenteil, sie stellen ja die Masse der Filmerzeugnisse, und ihre Themen sind nicht kalt und nicht warm, nicht gut und nicht böse; es fehlt ihnen nur das Leben des echten Kunstwerks und die innere Wahrheit. Diese Art von Filmstoffen war im Jugendfilmpreisausschreiben durch etwa ein Dutzend pseudovolkstümlicher Stoffe vertreten.

Eine andere Gruppe von Einsendern, ebenso wie manche Filmautoren, sehen im Film ein verirrtes, sündiges Geschöpf; gewissermaßen die Frucht der Mesalliance zwischen Kunst und Technik: sie schreiben daher Filmstoffe mit doktrinärer, absichtsvoller Ethik und mit jener inneren Überheblichkeit, mit der man Entgleiste an die Tische der Gerechten führt. Sie wollen den Film gewissermaßen veredeln. Diese Autoren schreiben und schrieben Arbeiten, denen die Einsicht in das innere Wesen und die Eigenständigkeit des Phänomens Film fehlt. Die Treatments dieser Kategorie brachten gelehrsame Erzählungen aus der heimischen Historie, Lebensgeschichten bedeutender Männer mit betonter Nutzanwendung, Traumerzählungen usw. Diese Stoffe zeichnen sich alle durch Lebensfremdheit oder überwiegend retrospektives Handlungsgeschehen, Inaktualität oder trockene Zweckhaftigkeit aus.

Ein Großteil der Arbeiten hatte wieder ausgesprochen episch-erzählerischen Charakter ohne wesentliche dramatische Akzente. Fast zur Gänze fehlten jedoch Einsendungen, die Jugendkonflikte oder Gegenwartsprobleme behandeln; ebenso Arbeiten, die für die Jugend packende oder in die Zukunft weisende Ideen zur Darstellung gebracht hätten.

Wie sehen aber nun die Themen aus, die prämiiert wurden, beziehungsweise welchen Forderungen haben sie entsprochen? Die Filmstoffe mußten eine positive Tendenz und eine aufbauende Idee besitzen. Es ist dies ja wohl die Kardinalforderung an die Kunst überhaupt, also auch an den Film. Und daß sich diese Forderung mit der Wirklichkeit deckt, beweist die statistisch nachweisbare Tatsache, daß gerade diese Filme auch die größten Kassenerfolge sind, die ein menschliches Schicksal wahr und echt gestalten und eine letzten Endes positive Überwindung der Konflikte demonstrieren.

Die Jury beurteilte in der letzten Phase des Wettbewerbs insgesamt sieben Arbeiten, welche die gestellten Bedingungen am ehesten zu erfüllen schienen. Es waren dies: ein Pestalozzi-Stoff „Alles für andere“; ein kulturgeschichtliches Thema, das in Gegenüberstellungen von Gegenwart und Vergangenheit die technischen Fortschritte der Menschheit verherrlicht „Einst und jetzt“; ein Versuch, die Überwindung des Rassenhasses durch die Gesinnung sühnender Liebe zu demonstrieren „Venedig“; ein Treatment, das Karl May als Vorkämpfer für ein sittlich hohes Menschentum zeigt „Von Ardistan nach Dschinnistan“; ein Rosegger- Stoff, der im besonderen die Heimattreue, das soziale Empfinden und das unbeirrte Festhalten Roseggers an seinem Beruf hervorhebt „Peterle 49“ wurde mit einem Anerkennungsschreiben ausgezeichnet; eine flott und filmwirksam geschriebene Synopsis mit Kindern als Hauptdarsteller, die in ihrem Heimatdorf, in das keiner von den eingerückten Familienvätern aus dem Krieg zurückgekehrt ist, Gelegenheit erhalten, sich gegenüber allen möglichen Wechselfällen des Lebens zu bewähren und durchzusetzen. Diese letztgenannte Arbeit „Austria“ erhielt wegen ihres kinderpsychologisch gut angelegten Handlungsablaufes den zweiten Preis des Wettbewerbs.

Das als letztes zu besprechende Thema des abgeschlossenen Preisausschreibens, dem im besonderen Maße Jugendeignung und Aktualität zuerkannt wurde, ordnet seine Handlung um die Ideeder Einigung Europas; aus dem negativen Erlebnis des letzten totalen Krieges reift gerade in der jungen Generation der verschiedensten Nationen die Einsicht der Sinnlosigkeit und letztlichen Unfruchtbarkeit des permanenten Kriegszustandes, in dem sich die Völker befinden. Ein junger Österreicher und ein junger Franzose, der als Kriegsgefangener mehrere Jahre in Österreich verbracht hatte, sind die Träger der Proklamation und schrittweisen Verwirklichung eines Bündnisses der Nationen, vorerst unseres Kontinents und im besonderen der Jugend, gegen die eigentlichen und zeitlosen Feinde der Menschheit: gegen die Krankheiten, den Hunger und gegen die rohen Naturgewalten.

Gegen Vorurteile und Ressentiments suchen diese jungen Menschen, aus dem Erleben des unmittelbaren Kennenlernens des fremden Volkes und des im letzten gemeinsamen Schicksals aller Menschen diesseits und jenseits der Grenzpfähle, ihren Plan in die Tat umzusetzen, jeder von seinem Platz und vom Boden seiner Heimat aus den gemeinsamen Feldzug des Friedens gegen die Geißeln der Menschheit zu führen’

Vielleicht kann dieser Film tatsächlich und unter dem richtigen Regisseur hergestellt werden. Es wäre wertvoll, wenn Österreich mit Filmen solcher Art über seine Grenzen hinaus einen Beweis seiner Beru-fung und Bereitschaft geben könnte, an dem unter so viel Leid sich vollziehenden Neuaufbau unserer menschlichen Gesellschaft mitzuwirken. Vielleicht würden diesen Film jenseits der Grenzen die richtigen Menschen sehen und hören. Vielleicht können Ideen solcher Art die ärgsten Widersacher des Lebens und der Jugend: die Resignation und die Verzweiflung überwinden helfen.

Das waren die Überlegungen der Juroren. Darum erhielt das Thema „Friedland“ den ersten Preis.

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